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Die Erde sieht gar nicht aus wie die Erde, sie ähnelt ihr nur.

© Filmgalerie 451

„Weitermachen Sanssouci“ im Kino: Die Erde ist eine Kartoffel

Zwischen Kybernetik und der Hoffnungslosigkeit angehender Professoren: „Weitermachen Sanssouci“ stellt die Eigenheiten des akademischen Betriebs bloß.

Der Prolog von „Weitermachen Sanssouci“ reitet schon mal weit hinaus. Zum zirkushaften Klangbrimborium des „Cinéma“-Teils von Erik Saties Ballett „Relâche“ (1924), der abwechselnd vor sich hinmarschiert und -wogt, fällt der Blick auf Geertgen tot Sint Jans Gemälde „Johannes der Täufer in der Einöde“ (um 1484).

Aus dem schaut besagter Täufer fast rührend in seiner stillen Verzweiflung, wie er da den Kopf in die Hand legt, während sich hinter ihm die gar nicht so öde, ziemlich grüne Natur wegschlängelt und neben ihm ein weißes Lämmchen den Jesus macht mit Heiligenstrahlen um den Kopf.

Dann sehen wir junge Leute, die in einem Observatorium eine Dachluke öffnen und das Teleskop ausfahren, damit die Kamera den sternebepunkteten Nachthimmel zeigen kann, zu dem die Stimme von Sophie Rois anfängt zu erzählen, dass man mit den „richtigen Messinstrumenten“ die Erde eigentlich als Kartoffel wahrnehmen würde.

Mit der Feststellung „man könnte also sagen: Die Erde sieht gar nicht aus wie die Erde, sie ähnelt ihr nur“ landet der Film dann in einer Bluebox, in der eine sehr blauer und sehr runder Erdluftball rumliegt und ein Mensch mit blauem Kostüm und VR-Brille in irgendwelchen Einöden, Naturen oder Universen unterwegs ist.

So geht es zu an einem „ganz besonderen Kartoffelacker der Wissenschaften“, der „Berliner Universität“. Eine junge Frau mit Namen Phoebe Phaidon (Sarah Ralfs) hat dort eine 28-Prozent-Stelle und muss zwischen Studierenden-Aufruhr und Drittmittel-Begehungsaufgeregtheit vermitteln, ihre eigene Rolle in Administration und Lehrverpflichtungsfron finden.

Zwischen Weltgeschichte und Banalität

Ihr Mitbewohner Dakkar Prinz (Bastian Trost) will zum – aus kapitalistischer Sicht – Verliererthema einer visionären Kybernetik in Chile unter Salvador Allende forschen, der frustrierte Kollege Julius Kelp (Philipp Hauß), kommt trotz aller Qualifikationen nicht durch den Flaschenhals ins Professorendasein.

Max Linz, der gemeinsam mit Nicolas von Passavant das Drehbuch geschrieben hat, widmet sich in seinem zweiten Langfilm einem spannenden Gegenstand: dem besinnungslosen Popanz, den Akademia in Zeiten totaler Kapitalisierung vollführt, wo Sonderforschungsbereichsbegehungen geprobt werden wie Theaterstücke und eine Top-Dog-Elite für Konferenzen pausenlos um die Welt jettet, um kritische Vorträge zu Klimawandel und Umverteilung zu halten.

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[In sieben Berliner Kinos]

Linz wechselt zumeist souverän, manchmal auch forciert zwischen Weltgeschichte und Banalität. Dazu gehören auch lässige Albernheiten wie der umgedichtete „Danke“-Chorgesang auf einen Vortrag des Externe-Gelder-geilen Nudging-Beforschers Alfons Abstract-Wege (Bernd Moss) oder so ein in die Lagebesprechung hineingeseufztes „Ich glaube, mich nudget der Affe“ von Sophie Rois als Dekanin Brenda Berger.

René Pollesch im Kino

„Weitermachen Sanssouci“ ist spürbar geprägt vom Theater, namentlich von dem René Polleschs an der Volksbühne. Das Nebeneinander der verschiedenen Schauspielregister ist nicht ohne Reiz und zugleich das Problem.

Linzens Entscheidung für das ätherische, runterversachlichte Spiel von Sarah Ralfs, die keine professionelle Schauspielerin ist, hält zwar den ganzen assoziativ-heiteren Trubel zusammen, weil dieses Spiel wie ein Medium aller Einfälle funktioniert. Andererseits bremst der ostentative Ennui, der von Phoebe Phaidon ausgeht, aber immer wieder Tempo und Energie ab.

Matthias Dell

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