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Kultur: Die erste Geige

Ed Csupkay ist Türsteher, Roadie und Clubbesitzer. Nun hat er sein Debütalbum herausgebracht

Clubtüren, die kennt er gut. Als „Guter Einlass-Onkel Ed“ im White Trash oder wie jetzt im Ex’n’Pop in Schöneberg entscheidet Ed Csupkay, wer rein darf und wer nicht. Wir sind in der berühmt-berüchtigten Bar zum Interview verabredet, deshalb darf ich. Mit einem herrlich sonoren Bass bittet der breitschultrige Mann herein und hält die Tür zwischen Wellblechwänden weit auf. Sonst finden in dem schummrig beleuchteten Raum Konzerte auf einer kleinen Bühne statt, das Kino im hinteren Bereich zeigt Off-Filme, oder man kickert und säuft durch bis zum nächsten Abend. Oft steht Mitbetreiber Csupkay (sprich: Tschupkai) hinter dem Tresen, der oft wie ein Wellenbrecher wirkt, und legt Musik auf – wenn er nicht gerade als Tourmanager mit Monster Magnet oder Anthrax unterwegs ist.

Jetzt sitzen wir ganz alleine an der Bar. Anlass ist die erste eigene Platte des umtriebigen 41-Jährigen, die Ende Januar bei Labels erschienen ist. Auf „Das Tier in mir“ singt Ed Csupkay mit rauer, dunkler Stimme in Country-Folk-Manier, begleitet von akustischen Instrumenten. Er ist selbst an Geige, Mandoline oder Gitarre zu hören, unterstützt unter anderen von Malcolm Arison an der Mundharmonika. Er singt auf Deutsch, mal melancholisch, mal mitreißend über (Motorrad-) Liebe, Herzschmerz und die – sprachlich unverkennbare – alte Heimat im Norddeutschen. Da kommt der Mann mit der dunklen Hornbrille und den gewaltigen Koteletten her: aus Bremens Stadtteil Blockdiek, wo auch Element-of-Crime- Sänger Sven Regener aufgewachsen ist. Der hat „Das Tier in mir“ folgerichtig produziert, und Csupkay wird mit dessen Band heute auf Tour gehen, zwischen Fribourg und Rostock. Er und Regener hätten sich „aber erst in Berlin kennengelernt und festgestellt, dass wir aus dem gleichen Stall kommen“, sagt er.

In dem Stall bestand sein ungarischer Vater auf Geigenunterricht. „Eine tiefe Demütigung“ erinnert sich der Bremer und schmunzelt sehr charmant über den verheimlichten Wunsch, lieber eine E-Gitarre zu haben. Wie alle anderen. „Damals habe ich das Gerät nicht mit Freude und Ehre behandelt. Erst als wir in einer der Punkbands in Bremen Countrymucke machten, unter dem Einfluss alter Hank Williams-Platten, holte ich meine Geige wieder raus.“ Während der achtziger und neunziger Jahre spielte er in mehreren Punk-, Psychobilly- und Folkbands dann doch Gitarre sowie später Mandoline, arbeitete als Packer im Hafen und als Türsteher in Clubs. Irgendwann wurde ihm Bremen zu klein und „der Klüngel zu groß“. 1991 ging er nach Berlin.

„Da lief dann viel über das Ex’n’Pop, wo sich alle trafen und tranken.“ Alle, das war das Umfeld der Einstürzenden Neubauten. Bei den von Alexander Hacke gegründeten Jever Mountain Boys, die sich spaßeshalber der Countrymusik widmeten, kam Csupkay an der Geige zum Einsatz. Im Laufe der Jahre begleitete er außerdem Meret Becker, war Bandleader beim jährlichen Weihnachtsspecial der Schauspielerin Sophie Rois, bei der Kurt-Krömer-Gala in der Arena und spielte bei Frank Castorfs „Marterpfahl“ Cowboyballaden auf der Volksbühne. Nachts stand er weiterhin hinterm Tresen oder an der Tür oder war auf Tour mit Lemmy von Motörhead. „Das alles hat mit Musik zu tun. Und das alles macht Spaß. Ich würde da niemals eine Wertigkeit kultureller Abstufung festmachen“, erklärt er mit seiner tiefen Stimme, auf die sich die vielen durchlebten Nächte gelegt haben.

„Es scheint so einfach, zu leben in der Nacht, am Tag zu schlafen, hast du immer schon gemocht“, singt Ed Csupkay denn auch in „Einfach“. So einiges aus seinem Leben findet sich in den von Robert Earl Keen Junior, T-Bone Burnett („großartig, großartig, großartig“) oder Townes van Zandt beeinflussten Episoden des Folk wieder: Wehmut, Aufbruchstimmung oder Besessenheit wie bei dem Titelstück „Das Tier in mir“. Mit der deutschen Version von Nick Lowes „The Beast in me“, das bekannter durch Johnny Cash sein dürfte, fing er überhaupt erst an, auf Deutsch zu singen. „Vorher hatte ich mich da nie wirklich rangetraut, weil ich ganz viele deutsche Texte hölzern oder platt finde. Außer vielleicht die von Trio, Jürgen Zeltinger und Element of Crime.“ Kumpel Regener war es auch, der ihm bei der Rückübersetzung einiger bereits auf Englisch geschriebener Texte half.

Jetzt freut sich Csupkay auf die anstehende Tour. Obwohl es ihm noch nicht so ganz geheuer zu sein scheint, als Solokünstler im Mittelpunkt zu stehen. Denn trotz seiner ungemein physischen Präsenz, die sich erst vollkommen entfaltet, wenn er spricht oder singt, die typische Rampensau ist er nicht. „Ich habe nie gern den Frontmann gemacht. Geige oder Gitarre für andere zu spielen, kein Problem, aber das jetzt, das ist schon ein Schritt“, meint er überraschend schüchtern. „Jetzt kann ich mich hinter niemandem mehr verstecken.“

Ed Csupkay, „Das Tier in mir“ ist bei Labels erschienen.

Annika Hennebach

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