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Kultur: Die Fünfminuten-Terrine

Man könnte sich keinen besseren Auftakt der neuen Reihe "Perspektive Deutsches Kino" denken als den Eröffnungsfilm "99euro-films". Das Gemeinschaftsprojekt, in dem zwölf Regisseure für je 99 Euros einen Fünfminutenfilm drehten, entstand 2001 im Auftrag des Filmfests Oldenburg - und versammelt alles, was an Regisseuren und Schauspielern im deutschen Kino Hoffnung macht: Esther Gronenborn etwa, die mit ihrem Debüt "alaska.

Man könnte sich keinen besseren Auftakt der neuen Reihe "Perspektive Deutsches Kino" denken als den Eröffnungsfilm "99euro-films". Das Gemeinschaftsprojekt, in dem zwölf Regisseure für je 99 Euros einen Fünfminutenfilm drehten, entstand 2001 im Auftrag des Filmfests Oldenburg - und versammelt alles, was an Regisseuren und Schauspielern im deutschen Kino Hoffnung macht: Esther Gronenborn etwa, die mit ihrem Debüt "alaska.de" letztes Jahr eine der zärtlichsten Pubertätsgeschichten erzählte, Michael Klier, der nach dem überragenden "Ostkreuz" 2001 mit "Heidi M." sein Comeback feierte, Matthias Glasner, der "Die Mediocren" und "Sexy Sadie" gedreht hat, zwei der witzigsten Independent-Filme der 90er Jahre, sowie RP Kahl, der sich nach seinem Einstand in Oskar Roehlers "Silvester Countdown" mit "Angel Express" auf die Regie verlegte. Dazu kommen als Schauspieler die wunderbare Julia Hummer, das Terroristenkind in "Die innere Sicherheit", Laura Tonke, die Altmeister Rudolf Thome gern einsetzt, sowie die üblichen Verdächtigen Richy Müller, Oliver Korittke und Peter Lohmeyer. Einzig Oskar Roehler, der seit "Die Unberührbare" in der obersten Kinoliga mitspielt, hatte keine Zeit für einen Kurzfilm. Er parodiert dafür in einem Fake-Interview den freundschaftlichen Anarcho-Geist, der das Projekt geprägt haben muss.

Berlinale 2002 Online Spezial: Filmfestspiele in Berlin Sonderbereich: Der Tagesspiegel berichtet Gewinnspiel: meinberlin.de verlost Filmbücher Fotostrecke: Ausschnitte aus den Wettbewerbsfilmen Für eine Independent-Reihe ist "99 Euro-Films" geradezu programmatisch: Wenig Geld, viel Phantasie ist die Grundausstattung, mit der fast alle Regisseure einst von einer Filmhochschule aus gestartet sind, und manche Filme erhalten gerade durch die formale Beschränkung ihre subversive Qualität. Am besten funktioniert das selbstreferenzielle Spiel zwischen Form und Inhalt bei Mark Schlichters "Privat", in dem die Mitglieder einer Alt-68er-WG sich selbst auf Video aufzeichnen. Esther Gronenborn schickt in "Balkan Rhapsody" in bester Dokumentarfilm-Tradition zwei deutsche Hausfrauen nach Osteuropa, wo sie vergeblich versuchen, eine junge Frau an der Prostitution zu hindern. Und RP Kahl parodiert in Anlehnung an die Daum-Affäre die Verlogenheit der High-Society im Umgang mit Kokain.

Die minimalistische Version liefert Sebastian Beer ab, der zu einem gleichbleibenden Standbild im Off zwei Jungs über die "Gema-Rechte an der Stille" philosophieren lässt. Auch Alexandra Maria Lara beweist, dass für die großen Geschichten des Lebens manchmal die kleinste Form genügt: Die junge Frau, die eigentlich selbstbewusst von der Trennung von ihrem Freund berichten wollte, bricht vor laufender Kamera in Tränen aus. Programmatisch schließlich Matthias Glasners "Selbsttötung der Sarah W.", der eine Kinovorführerin in einen Kreuzzug gegen Hollywood schickt. Die junge Frau scheitert - die Botschaft jedoch kommt an. Die Perspektiven für das deutsche Kino sind nicht schlecht.

Christina Tilmann

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