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Kultur: Die große Filmseele

Zum Tode Eva Ebners: eine Erinnerung

Ihr Haar war noch grau – da kannte ich sie schon. Der signalrote Schopf kam erst später dazu, als hätte man Eva trotz zierlichen Figürchens jemals übersehen können. Aber nun war das am liebsten in Tigerfell-Imitationen gehüllte Kunstgeschöpf perfekt und immer bereit zu schönen Schandtaten vor den Kameras von Filmstudenten bis Regieveteranen. Doch wer glaubte, hier eine den Oberflächenreizen der Schickeria verhaftete Selbstdarstellerin vor sich zu haben, sah sich schnell getäuscht. Mit dem scharfen Verstand einer Filmkritikerin und dem Erfahrungsschatz einer alt gedienten Regieassistentin griff sie sachkundig ein, wenn sich Filmemacher in Sackgassen verrannten.

Von Danzig, wo sie 1922 geboren wurde, ging die Lebensreise nach Berlin, wo Eva in den Nachkriegswirren bei den Amis ihre ersten Sekretärinnenschritte ins Filmgeschäft machte, um dann bei Artur Brauners „CCC“ vom Scriptgirl zur Regieassistentin aufzusteigen. Eigene Regieambitionen hatte sie nie. Lieber wurde sie unentbehrlich für die 50er Jahre-Meister, aber auch für die Macher der Edgar-Wallace-Reihe.

Später dann wollten feministisch grundierte „Filmarbeiterinnen“ wie Ulrike Ottinger oder Margarethe von Trotta nicht auf sie verzichten. Privat ist die multipel umtriebige Kulturschaffende seit langem an der Seite ihres 12 Jahre jüngeren Lebensgefährten, dem indonesischen Komponisten und Musiker Paul Gutama Soegijo im Lichterfelder Vororthäuschen zur Ruhe gekommen – wenn nicht gerade mal wieder ein TV-Team oder der Reporter eines Magazins die vermeintlich schrille Dame im gleichfalls originellen Ambiente ablichten wollte. In reifen Jahren auch noch den Schritt vor die Kamera gewagt zu haben und auch als Schauspielerin anerkannt zu sein, muss Eva ungemein beflügelt haben – über die Leistungsmöglichkeiten ihres seit langem schwachen Herzens hinaus. Ihre charakterliche Stärke bewies Eva Ebner bei Kriegsende am bewegendsten, als sie die russischen Soldaten, die sie vergewaltigt hatten, nicht verriet, weil sie an deren Tod nicht schuld sein wollte. Darauf war sie mehr stolz als auf alle Filme der Welt. Eva Ebner starb bereits vergangene Woche in Berlin.

Lothar Lambert lebt als Filmemacher in Berlin. 2003 stellte er auf der Berlinale seine Dokumentation über Eva Ebner, „Ich bin Gott sei dank beim Film“, vor.

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