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Kultur: Die innere Unsicherheit

WETTBEWERB „Romanzo Criminale“ erzählt vom Terror der siebziger Jahre

Coole Hunde. Nennen sich „Libanese“ oder „der Kalte“, „Dandy“ oder „der Schwarze“. Lederjacken, Sonnenbrillen, schnelle Autos, schöne Frauen. Irgendwann haben sie auch die Villa mit Pool, oder das Landhaus in den Bergen. Und am Ende sind sie gefangen oder tot. Klassische Verbrecherkarrieren, die Michele Placido in „Romanzo Criminale“ schildert. Erfolg, Verrat und Rache. Kids aus den Suburbs von Rom, Kleinkriminelle, die mit einer mittelgut organisierten Entführung beginnen und dann die große Tour drehen. Den Drogenmarkt in Rom beherrschen, mit der Mafia paktieren, Konkurrenten gnadenlos ausschalten. Viel Geballere, viel Blut. Irgendwann kommt die Politik dazwischen.

Es sind die heißen Jahre Italiens, die schwärzeste Periode des Terrorismus. Aldo Mori wird entführt, beim Bombenattentat auf den Bahnhof von Bologna gibt es Hunderte Tote und Verletzte. Das italienische Kino ist in den letzten Jahren ambitionierter, politischer geworden, hat sich mehrfach dieser Zeit gewidmet: Marco Tullio Giordana zum Beispiel lässt sein Sechsstunden-Epos „La meglio gioventù“ in den siebziger Jahren beginnen, zeigt die Studentendemonstrationen, die Roten Brigaden, die harte Reaktion der Politik. Vergangenheit, die in die Gegenwart wirkt.

Von dieser Atmosphäre der Unsicherheit, des Staates im Ausnahmezustand erzählt auch „Romanzo Criminale“. Auch hier die Fahrten durch das nächtliche Rom, die grobkörnigen Bilder, die alten Fiats und natürlich das WM- Finale Deutschland gegen Italien. Der Verdacht, dass staatliche Stellen als Strippenzieher hinter den Verbrechen stehen, ist der spannendste Aspekt des ansonsten recht konventionellen Films. Denn auch der „Libanese“, Anführer der Truppe (Pierfrancesco Favino), paktiert mit einem Undercover-Regierungsangestellten, der ihn für eigene Zwecke benutzt. Und vergeblich versucht der aufrechte Kommissar Scialoja (den Gangstern ebenbürtig an Coolness: Stefano Accorsi), der Bande das Handwerk zu legen. Er muss erfahren, dass seine eigenen Vorgesetzten die Gangster decken. Nicht Aufklärung, Stillhalten ist gefragt.

Sie sind im Herzen alle gleich: der Kommissar, der sich in die gleiche Prostituierte verliebt wie der Gangster. Der Killer, der vom „normalen“ Leben träumt, der Mafia-Boss, der Wert auf Umgangsformen legt. Und schnell verliert sich der Film darin, all diese Parallelen durchzubuchstabieren. Erzählt Episoden, jeweils in der Sicht unterschiedlicher Protagonisten, erzählt von Freundschaftsverrat und tödlichem Rachedurst, von Einsamkeit und verlorener Liebe. Die Frauen, unschuldig wie Roberta (Jasmine Trinca), die „reine Liebe“ des „Kalten“, oder durchtrieben wie die schöne Prostituierte Patrizia (Anna Mouglalis), sterben oder werden verkauft, die Freunde vertrauen einander nicht mehr. Und schnell entwickelt sich, neben dem „Libanesen“, der „Kalte“ zur Hauptfigur: Kim Rossi Stuart spielt einen im Herzen Verlorenen, einen Aussteiger, der irgendwann nur noch seine eigene Mission verfolgt.

Liebe, Freundschaft, politische Korruption: Darum hätte es gehen müssen, um die Fallhöhe herzustellen. Doch es geht um Drogen, Geld und Mord. Kleine Kriminelle. Kein Stoff für Tragödien.

Heute 19 Uhr (Berlinale-Palast), morgen 12 und 15 Uhr (Urania), 19.2. 15 Uhr (Urania)

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