zum Hauptinhalt

Kultur: Die Kirche legt sich quer

Die Bebauungspläne für Berlins zentralen Altstadtbereich liegen jetzt vor. Sie sind ein Dokument der Mutlosigkeit

Es hat gut zehn Jahre gedauert, um vom Beschluss des Planwerks Innenstadt durch den Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus zu einem Bebauungsplan für die zentralen Altstadtbereiche von Alt-Berlin und Altkölln zu kommen. Jetzt ist es so weit: Im überdachten Lichthof der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Köllnischen Park sind noch bis 14. Oktober die Pläne für Petriplatz/Breite Straße und den Molkenmarkt mitsamt Erläuterungen zu besichtigen.

Eigentlich ein Grund zur Freude, ein Signal, dass es jetzt losgeht. Die Eröffnung vergangene Woche glich allerdings eher einer Beerdigung. Das war sie genau genommen auch. Zehn Jahre Verwaltungsarbeit waren zu beerdigen: immer neue Gutachterverfahren, Abstimmungsrunden, Koalitionsklausuren und Kompromisse mit immer demselben Ergebnis, dass entweder die Linke als Koalitionspartner sich querlegte, oder die vereinigte Berliner Verkehrspartei, von der IHK über ADAC und FDP bis zu den Senatsverkehrsplanern, Krach schlug. Das hält auf die Dauer keiner aus, und so wunderte es nicht, dass weder Verantwortliche noch Bearbeiter erschienen waren und der zuständige Abteilungsleiter allein ein Ergebnis vorstellte, zu dessen Lob er nur eines zu sagen wusste: dass es so womöglich endlich politisch akzeptiert werde.

Viel mehr ist zu den Plänen auch nicht zu sagen. Es handelt sich um Dokumente der Mut-, Lust- und Ideenlosigkeit. Kein einziger zündender Funke, nicht die kleinste Option auf Zukunft – eine Planung aus Angst. Zehn Jahre politisch-administrativen Tauziehens haben am Ende ein Produkt zustande gebracht, das vielleicht politisch funktioniert, das aber keiner mehr will.

Es funktioniert auch praktisch nicht. Es gibt Kompromisse, die man gerade noch aufs Papier bekommt, die aber real nicht darstellbar sind, wie etwa der Baublock vor dem Alten Stadthaus, der zugleich ein Stadtplatz sein soll (man wollte der Linken entgegenkommen, deren Vorschläge an die NS-Planung von 1936 erinnerten). Oder, am Petriplatz, einerseits die Berücksichtigung der ausgegrabenen Zeugnisse des mittelalterlichen Berlin, andererseits die alte Verkehrstrasse: drei Fahrspuren in jeder Richtung plus Straßenbahntrasse mit Grüngleis.

Und wenn wieder die Petrikirche aufgebaut würde? Damit rechnet keiner. Die Gemeinde St.Marien/St.Petri plant aber bereits einen Architektenwettbewerb, erst vor wenigen Tagen hat Hans Kollhoff im Roten Saal der Bauakademie eine Ausstellung mit erstaunlichen Entwürfen seiner Zürcher Studenten eröffnet. Ein Petri-Neubau würde aber die gesamte alte Kirchenfläche beanspruchen, also auch jenes Drittel, über welches derzeit der Verkehr rollt. Kirche und Geschichte gegen Verkehr: Wie immer dieser Konflikt ausgehen wird, der Bebauungsplan ist damit schon heute Makulatur.

Und der in Aussicht gestellte Städtebau? Der ist zum Fürchten. Die wenigen individualisierenden Vorkehrungen, welche den Planwerksbeschluss 1999 überlebten, sind nun auch noch zurückgenommen. An der Breiten Straße waren einmal Stadthäuser vorgesehen – jetzt, wo das leer stehende DDR-Bauministerium tatsächlich abgerissen werden soll, soll es wieder die gleiche geschlossene Kastentypologie sein. Große Volumina für große Investoren statt individualisierender Strukturen, die städtisches Leben herbringen könnten: Die mitgelieferten Simulationen sind abschreckend.

Was folgt daraus? Erstens: Dieser Bebauungsplan darf im Abgeordnetenhaus keine Mehrheit finden. Besser die Wiedergewinnung von etwas Altstadt zehn weitere Jahre verschieben, als jetzt diesen Unsinn festsetzen. Zweitens: Es ist ein Unding, dass sich Politiker auf Landesebene über Platzformen, Bebauungshöhen und Kurvenradien streiten. Das birgt stets die Gefahr, dass sie lediglich ihre Präferenzen als Autofahrer durchsetzen oder der Gesamtstadt und kommenden Generationen ihr Heimweh nach der Hauptstadt des Sozialismus aufzwingen wollen. Es ist Zeit, dass die Politiker wieder Politik machen und die Stadtplaner Stadtplanung. Derzeit hat Berlin weder das eine noch das andere.

Lichthof der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Am Köllnischen Park 3. Bis 16. Oktober, Mo - Sa, 10 – 18 Uhr. – Der Autor ist Architekturkritiker und Stadtplaner und war in den 90er Jahren am Planwerk Innenstadt Berlin beteiligt.

Dieter Hoffmann-Axthelm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false