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Kultur: Die Korrekturen

Christian Schröder über einen desaströsen KunstScherz Die Schrecken des Krieges entziehen sich der Darstellbarkeit. Die Bilder, die wir derzeit aus Bagdad und Basra sehen, geben uns eine Ahnung von Tod und Verwüstung, doch die Wirklichkeit verschwindet hinter ihnen.

Christian Schröder über einen desaströsen KunstScherz

Die Schrecken des Krieges entziehen sich der Darstellbarkeit. Die Bilder, die wir derzeit aus Bagdad und Basra sehen, geben uns eine Ahnung von Tod und Verwüstung, doch die Wirklichkeit verschwindet hinter ihnen. Die Wirklichkeit des Krieges kennen nur diejenigen, die ihn erlebt haben: die Toten und die Davongekommenen. Fransisco de Goya war so ein Davongekommener. Der Hofmaler des spanisches Königs war Augenzeuge eines der fürchterlichsten Gemetzel der Neuzeit: des spanischen Befreiungskrieges. Als die napoleonischen Truppen ab 1808 auf die iberische Halbinsel vorrückten, wurden sie nicht nur von regulären Soldaten, sondern auch von Freischärlern und Bauern angegriffen. Beide Seiten kannten kein Pardon. Die Franzosen brannten Dörfer nieder, die Spanier wehrten sich aus dem Hinterhalt.

Wie grausam die sechs Jahre währenden Kämpfe waren, wissen wir heute vor allem durch Goya. Sein 80-teiliger Radierzyklus „Desastres de la Guerra“, um 1815 entstanden und wegen der Zensur erst 1863 veröffentlicht, zeigt den Krieg in reportageartiger Nahsicht: an Bäumen aufgeknüpfte Zivilisten, zerbombte Häuser, Krüppel und immer wieder Leichen. Alles, was man über den Krieg wissen muss, kann man bei Goya erfahren. Seine Desastres sind, neben Picassos „Guernica“, das bedeutendste Kunstwerk über und gegen den Krieg.

Die britischen Künstler Jake und Dinos Chapman haben jetzt Goya „verbessert“. Sie haben einen kompletten Zyklus der Desastres von der Madrider Goya Foundation erworben und die Blätter übermalt. Auf die Körper von Hintergrundfiguren setzten sie fratzenhafte Köpfe mit Glubschaugen und Eselsohren, die an Science-Fiction-Comics erinnern. Ab dem 12. April werden die Bilder in Oxford zu sehen sein, unter dem ironischen Titel „The Rape of Creativity“. Der „Guardian“ spricht von Vandalismus, aber ein Aufschrei des Entsetzens über die ikonoklastische Aktion blieb in England aus. Schock-Kunst kennt man von den Chapmans, seitdem sie KZ-Szenarien mit Spielzeugfiguren nachstellten. „Wir haben die Desastres im Licht gegenwärtiger Ereignisse modifiziert“, sagten die Brüder der „Süddeutschen Zeitung“. „Diese Art der ,Verletzung’ macht sie weniger affirmativ.“ Das soll wahrscheinlich provokativ klingen, ist aber Unsinn. Goyas Kunst wirkt bis heute erschütternd. Die Kunst der Chapmans ist bloß ein schlechter Witz.

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