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Kultur: Die Leere des Weiß

Im Alter von 71 Jahren ist der Maler Raimund Girke in der vergangenen Woche – wie erst jetzt von seiner Familie mitgeteilt wurde – in Köln verstorben. Er zählte zu den Vertretern einer konsequenten Gegenstandslosigkeit.

Im Alter von 71 Jahren ist der Maler Raimund Girke in der vergangenen Woche – wie erst jetzt von seiner Familie mitgeteilt wurde – in Köln verstorben. Er zählte zu den Vertretern einer konsequenten Gegenstandslosigkeit. Seine Bildern seien „fundamental“, erläuterte er, sie seien das Ergebnis eines „autonomen malerischen Prozesses“. Die lange Vorherrschaft der weißen Farbe auf seinen Bildern brachte ihm eine Zeit lang den Spitzn „Weißer Riese“ ein. Zunächst konzentrierte er sich auf momochrome Bilder in Abstufungen von Weiß und Grau. Später begann er seine seriellen Bilder durch Kreise und Quadrate zu gliedern und zu rhythmisieren, und in jüngerer Zeit gewannen seine Gemälde eine lebhafte Farbigkeit zurück.

Girke, 1930 im schlesischen Heinzendorf geboren und damit jener Generation von Richter bis Polke zugehörig, die die westdeutsche Nachkriegskunst über viele Jahre hinweg dominierte, studierte Anfang der fünfziger Jahre an der Werkkunstschule Hannover und anschließend bis 1956 an der Düsseldorfer Akademie. Der Einfluss des in diesen Jahren allgegenwärtigen Informel streifte Girke bald ab und reduzierte seine Farbpalette immer weiter bis zu dem von ihm bevorzugten Weiß. Insbesondere verwarf er den gestisch-expressiven Ansatz der informellen Malerei. Stattdessen betonte er „disziplinierte Strenge und sachliche Aussage“ als Kriterien seiner künstlerischen Arbeit. Er wollte das Bild nicht als zufälliges Produkt verstanden wissen, sondern als Ergebnis analytischer Untersuchungen der Farbe und ihrer Strukturen.

1977 wurde Girke zur Documenta VI eingeladen, jener Documenta, die mit der Gegenüberstellung west- und ostdeutscher künstlerischer Positionen erstmals den Blick über die Mauer hinweg lenkte. und damit die Diskussion über abbildende versus gegenstandslose Malerei beförderte. Girke zählte allerdings nicht zu jenen, die sich in der folgenden Debatte zu Wort meldeten.

„Weiß ist Leere, Immaterialität, Ruhe und Schweigen“, schrieb Girke einmal über seine Malerei. Von 1971 bis 1976 lehrte er an der damaligen Berliner Hochschule der Künste. 1995 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Lovis-Corinth-Preis geehrt, und noch in diesem Jahr wurde ihm der Niedersächsische Kunstpreis 2002 zugesprochen. BS

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