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Kultur: Die Musen des Meisters Beckmanns „Großes Frauenbild (Fünf Frauen)“ zu Gast in der Neuen Nationalgalerie

Da stehen sie, schön und übergroß: Fünf Frauen, die in dem Leben von Max Beckmann zentrale Rollen gespielt haben. Seine beiden Ehefrauen Minna Beckmann-Tube und Mathilde „Quappi“ Kaulbach, seine wichtigste Förderin Lilli von Schnitzler, die ergebene Sammlerin Käthe Rapoport von Porada und schließlich „Naïla", Hildegard Melms, die Beckmanns Geliebte war und deren ausdrucksstarkes Antlitz von vielen seiner Zeichnungen und Gemälde bekannt ist.

Da stehen sie, schön und übergroß: Fünf Frauen, die in dem Leben von Max Beckmann zentrale Rollen gespielt haben. Seine beiden Ehefrauen Minna Beckmann-Tube und Mathilde „Quappi“ Kaulbach, seine wichtigste Förderin Lilli von Schnitzler, die ergebene Sammlerin Käthe Rapoport von Porada und schließlich „Naïla", Hildegard Melms, die Beckmanns Geliebte war und deren ausdrucksstarkes Antlitz von vielen seiner Zeichnungen und Gemälde bekannt ist. „Beckmanns schillerndes Verhältnis zu Frauen spiegelt sich nicht nur in seiner persönlichen Biografie,“ schreibt Kira van Lil in der September-Ausgabe des „art“- Magazins, „sie prägt auch seine Kunst."

Nach Beckmanns Tod 1950 war das 1935 in Berlin entstandene Gruppenbild im Besitz seiner zweiten Ehefrau, die es unter dem Titel „Quappi und die vier Frauen“ führte und weitgehend unter Verschluss hielt, bevor sie es 1965 an die New Yorker Spiro Family Collection verkaufte. Ausgestellt wurde das Meisterwerk kaum, in Deutschland nur einmal 1963 in Karlsruhe, und selbst in Beckmann-Biografien wurde es bisher allenfalls kurz erwähnt. So war es eine kleine Sensation, als es in diesem Sommer in London bei De Pury & Luxembourg versteigert wurde und im Vorfeld der Auktion für wenige Tage in Berlin und Zürich in den Räumen des Auktionshauses ausgestellt wurde. Heute ist es mit 6,9 Millionen Euro das zweitteuerste Werk des Künstlers. Und es ist wieder in der Stadt seiner Entstehung zu sehen: Der anonyme Käufer hat das Gemälde für ein halbes Jahr der Neuen Nationalgalerie als Leihgabe überlassen.

In der dritten Hängung „Räume des XX. Jahrhunderts“ hat das mit 215 mal 110 Zentimetern extreme Hochformat den gebührenden Ehrenplatz bekommen. Im ersten Raum, der den Titel „Existenz“ trägt, tritt es mit Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck, dem „Lebensfries“ von Edvard Munch oder Francis Bacons „Porträt der Isabel Rawsthorne“ in Dialog. Zur Linken hängt der berühmte „Potsdamer Platz“ von Ernst Ludwig Kirchner, auf der anderen Seite ein großformatiges Gemälde Ferdinand Hodlers, den Beckmann bereits als junger Maler verehrte. Auf der gegenüberliegenden Wand dann ein anderes Hochformat Beckmanns, das zur Sammlung der Nationalgalerie gehört: das „Familienbild Heinrich George", aus demselben Jahr wie das große Frauenbild und ebenfalls in Berlin entstanden. Beckmann fühlte sich mit dem Schauspieler, den er Anfang der Zwanzigerjahre kennen gelernt hatte, in vielem verbunden, auch in der zwiespältigen Rolle, die beide Künstler im Nationalsozialismus inne hatten. Wurde der Schauspieler zunächst noch gefeiert, verstärkte sich bereits Anfang der Dreißigerjahre der Druck auf den fast fünfzigjährigen Maler-Star: Geplante Ausstellungen werden abgesagt, stattdessen beginnen Hetzkampagnen in Zeitungen und Schmähausstellungen. Beckmann verliert 1933 seine Professur an der Frankfurter Städelschule. 1937 verlässt er Deutschland.

Während Beckmann Heinrich George als wuchtig-dominanten Familien-Patron darstellt und ihn mit Speeren und anderen Insignien männlicher Potenz ausstattet, nimmt er sich selbst auf dem „Großen Frauenporträt“ völlig zurück und bleibt doch gleichzeitig das heimliche Zentrum: Ein Handspiegel, den seine erste Frau in den Händen hält, gibt sein Gesicht wider. Es ist nicht der kantige Mann, der von den vielen Selbstporträts bekannt ist. Vielmehr erinnert das runde Gesicht an das Doppelbildnis, das Beckmann 1909 von sich und seiner ersten Frau malte, drei Jahre nach der Hochzeit. Er hatte Minna Tube an der Kunsthochschule in Weimar kennen gelernt. Die Pfarrerstochter war eine begabte Studentin, eine der ersten Frauen überhaupt, die an einer öffentlichen Akademie studiert. Sie heirateten kurz nach dem Tod von Beckmanns Mutter. Und obwohl Beckmann zeitlebens selbstbewusste Frauen anziehen werden, erwartete er, dass sie für ihn die Malerei aufgibt.

Im Gegenzug signierte er über zehn Jahre seine Bilder mit dem Kürzel HBSL: „Herr Beckmann seiner Liebsten". Die vielfach talentierte Minna aber will sich nicht nur der Karriere ihres Mannes unterordnen und wird Opernsängerin. Nach dem ersten Weltkrieg löst sich Beckmann von ihr und dem gemeinsamen Sohn und zieht nach Frankfurt am Main. Trotz der Scheidung 1925 bleibt er Minna stets verbunden. Als er sich Mitte der Zwanzigerjahre in Wien in die mehr als 20 Jahre jüngere Quappi, die Tochter des Porträt- und Historienmalers Friedrich August von Kaulbach, verliebt, lässt er im Ehevertrag sogar das Recht festhalten, Minna weiter sehen zu können und mit ihr zu verreisen.

Doch die hingebungsvolle Quappi ist bis zu seinem Tod 1950 die wichtigste Frau an seiner Seite. Auf dem „Großen Frauenbild“ hat sie dann auch die zentrale Position inne. Neben ihr und Minna sind seine wichtigsten Förderinnen abgebildet: Im Vordergrund mit Hermelinkragen geschmückt steht Lilly von Schnitzler, die kunstliebende Frau des IG-Farben-Direktors Georg von Schnitzler. Sie soll sogar bei Joseph Goebbels ein Wort für Beckmann eingelegt haben. Hinter ihr porträtiert dieser die Modejournalistin Käthe Rapoport von Porada, die als „schönste Frau Berlins“ galt. Sie verliebte sich 1922 in den Maler und unterstützte Beckmann nach seiner Emigration von Paris aus. Im Hintergrund steht „Naïla", eine promovierte Frankfurter Politikwissenschaftlerin, die für ihn die düstere „Femme Fatale“ verkörperte. Mit ihr verband ihn eine Affäre.

Jede der fünf Frauen ist von eigenwilliger und jugendlicher Schönheit, wobei die nackten Arme und überlangen Hälse auch ihre Verletzbarkeit betonen. Und jede der Schönen scheint am Treppengeländer nur darauf zu warten, von dem Mann, der sich so oft im Smoking dargestellt hat, abgeholt zu werden.

Neue Nationalgalerie, bis 18. Mai 2003. Im Januar erscheint bei Luchterhand eine neue Beckmann-Biografie von Stephan Reimertz.

Katrin Wittneven

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