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Kommunikator. Viele neue Fans gewann Daniel Hope, als er im ersten Lockdown mit dem TV- Sender Arte das Format „Hope@home“ erfand.

© Inge Prader

Stargeiger Daniel Hope: „Die Musik öffnet die Seele“

In der Pandemie hätten viele seiner Musikfreunde aufgegeben, erzählt der Stargeiger Daniel Hope. Ein Gespräch über Solidarität, Inspiration und das Glück des Liveauftritts.

Herr Hope, das Musikleben ist wieder erwacht. Mit welchen Gefühlen und Erwartungen schauen Sie auf die kommenden Monate?
Mit Glücksgefühlen. Ein Berufsverbot zu haben ist etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte. Natürlich ist es wichtig, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen. Aber es gibt so viele Widersprüche. Auf der einen Seite lässt man 60 000 Menschen in ein Fußballstadion, in Deutschland bis vor kurzem aber nicht mehr als 300 in einen Konzertsaal. Da fragt man sich schon, warum die Kultur so vernachlässigt wird.

Wir sind ein kleiner, aber sehr starker Bund von Musikkämpferinnen und -kämpfern. Deshalb bin ich zuversichtlich, aber auch kämpferisch. Es wird nicht einfach. Viele meiner Musikfreunde haben in der Pandemie aufgegeben. Sie haben es mental oder finanziell nicht mehr geschafft. Diese Menschen aufzugeben, wäre eine Tragödie. Wir müssen zusammenhalten: Musiker, Musikliebhaber, Journalisten, Produzenten, Veranstalter. Wir sitzen alle in einem Boot. Vielleicht mögen wir uns nicht gegenseitig, aber wir lieben die Musik. Das verbindet uns alle.

Seit 2016 sind Sie musikalischer Leiter des Zürcher Kammerorchesters. Was macht das Orchester aus?
Es ist ein Meisterensemble. Jede und jeder einzelne strahlt eine enorme Leidenschaft für die Musik aus, aber zusammen sind wir am stärksten: Wir machen Kammermusik auf großer Bühne. Es ist das erste Orchester, das ich in meinem Leben gehört habe. Ich habe nie zu träumen gewagt, es später leiten zu dürfen.

Wie Yehudi Menuhin haben Sie als Musiker keine Berührungsängste mit anderen Musikstilen. Mit dem Zürcher Kammerorchester treten Sie auch mit dem Popmusiker Marc Sway auf und spielen Filmmusik. Gibt es Stimmen im Orchester, die Crossover-Projekte kritisch sehen?
Solange die Projekte mit großer Sorgfalt ausgesucht werden, ist das Orchester gerne dabei. Wir hatten jetzt mit Till Brönner einen großartigen Jazztrompeter zu Gast, der mehrere Auftragskompositionen von uns uraufgeführt hat. Im März 2022 werden wir „Moby Dick“ in einem inszenierten Konzert aufführen, die Musik hat Carolin Shaw geschrieben. Wir arbeiten mit Schauspielern wie Klaus-Maria Brandauer und Iris Berben. Das Orchester ist sehr offen, die Themen müssen aber gesellschaftliche Relevanz haben.

In der Dresdner Frauenkirche sind Sie seit drei Jahren als künstlerischer Leiter für das Konzertprogramm zuständig. Ist die Frauenkirche ein geeigneter Ort, um in der Musik bestimmte Themen anzusprechen und ins Gespräch zu kommen?
Es ist kein normaler Konzertort, das ist mir sehr wichtig. Die Frauenkirche steht allen Religionen offen. Hier wird immer der Dialog, der Diskurs gesucht. Es gibt sehr viele Treffen von Denkern, Schriftstellern, Menschenrechts-Aktivisten. Die Frauenkirche ist ein Ort des Austauschs, des Nachdenkens und der Versöhnung, gerade zwischen England und Deutschland, zwischen Coventry und Dresden. Und die klassische Musik ist ein Teil davon. Die Musik öffnet die Seele.

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Letztes Jahr wurde das Gstaad Menuhin Festival abgesagt. Nun durften Sie das Festival als „Artist in Residence“ eröffnen. Wie war das für Sie?
Wunderschön. Die Kirche Saanen ist für mich ein sehr besonderer Ort, weil ich hier als Kind meine ersten Konzerte gehört habe, mit Yehudi Menuhin, mit dem Zürcher Kammerorchester und vielen anderen. Hier bin ich zuhause. Nach dieser langen Zwangspause gemeinsam mit meinen Freunden an diesem besonderen Ort musizieren zu dürfen, berührt mich sehr. Meine Mutter ist auch hier, zum ersten Mal seit über zehn Jahren.

Ihre Mutter war Sekretärin und später Managerin von Yehudi Menuhin. Sie verbrachten als Kind jeden Sommer in Gstaad beim Festival. Hatten Sie einen Lieblingsplatz in der Kirche?
Hinten in der Kirche gibt es eine Säule. Dort auf diesem schmalen Sitzplatz habe ich immer gesessen. Falls ich eingeschlafen bin, konnte man mich schnell hinaustragen.

Wie hat Sie das Gstaad Menuhin Festival als Kind geprägt? Wie hat es Ihr Musikverständnis beeinflusst?
Die Fülle an Talent und Inspiration, die von Yehudi Menuhin und seinen Freunden ausging, war unvorstellbar. Größen wie Stéphane Grappelli, Mstislaw Rostropowitsch oder Rafi Shankar sind hier ein- und ausgegangen. Das hat mein Leben mit Musik infiziert. Alles, was ich musikalisch spüre, hat hier in dieser Kirche angefangen.

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