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Kultur: "Die PDS ist eine unmoralische Partei"

MONIKA MARON, 1941 in Berlin geboren, ist mit ihren Büchern "Stille Zeile 6" und "Animal Triste" bekannt geworden.1981 debütierte sie im Westen mit dem in der DDR verbotenen Roman "Flugasche".

MONIKA MARON, 1941 in Berlin geboren, ist mit ihren Büchern "Stille Zeile 6" und "Animal Triste" bekannt geworden.1981 debütierte sie im Westen mit dem in der DDR verbotenen Roman "Flugasche".Seit 1988 lebt sie in der Bundesrepublik.Aus "Pawels Briefe" (S.Fischer Verlag, 38 Mark) liest Maron erstmals morgen abend in der Berliner Schaubühne.

TAGESSPIEGEL: In Ihrem neuen Buch schildern Sie zu Anfang den Besuch eines holländischen Fernsehteams, das der Frage nachgeht: "Wann werden die Deutschen endlich normal?" Sind die Deutschen denn noch so anomal?

MARON: Die Holländer haben erzählt, daß ein Deutscher, der in Amsterdam auf Englisch nach dem Weg fragt und dem man auf Deutsch antwortet, lieber weiter Englisch spricht.Ich habe erlebt, daß Deutsche bei einem Fußballänderspiel im Fernsehen mit Leidenschaft gegen die deutsche Mannschaft waren oder daß ich als Fan von Boris Becker von einigen Leuten angesehen wurde wie eine Nationalistin.Auch wenn das nur Posen sind und auch ein bißchen Spaß dabei ist, kommt es nichtdeutschen Betrachtern nicht normal vor.

TAGESSPIEGEL: Sie beschreiben eine Art inszenierten Minderwertigkeitskomplex.

MARON: Vielleicht.Es ist jedenfalls eine bequeme Art, mit dem Konflikt umzugehen, den uns die Hinterlassenschaft des Nazismus beschert hat.Denn es ist ja auch das Ausscheren aus dem Konflikt: "Ich bin das nicht.Ich gehöre nicht zu denen.Ich bin Kosmopolit.Ich bin Europäer.Ich stehe da drüber." Das bedeutet dann auch, die anderen mit dem Konflikt allein zu lassen.

TAGESSPIEGEL: Was wären für Sie heute "normale" Deutsche?

MARON: Menschen mit dem Bewußtsein einer historischen Verantwortung, die sagen: Wir wissen, was geschehen ist, aber wir tragen keine eigene Schuld.Wir sind so ähnlich wie alle anderen und können nur zusammen dafür sorgen, daß sich Vergangenes nicht wiederholt.

TAGESSPIEGEL: Sie beschreiben mit jenen Besser-Deutschen, die sich für deutsche Sportsiege genieren, eine Schicht aus dem linksliberalen juste milieu der alten Bundesrepublik.Ist diese Attitüde noch repräsentativ?

MARON: Es ist gewiß abhängig von der Generation.Aber sobald jemand davon spricht, daß die Deutschen endlich zu einer Normalität finden sollten, ist die Bereitschaft, einander mißzuverstehen, unverändert groß.Es war doch absurd, Martin Walser, dessen ganzes Werk aus Erinnerungen besteht, zu unterstellen, er wolle einen Schlußstrich ziehen.Er sagt, wenn die deutsche Schuld ihm in den Medien immer wieder präsentiert wird, dann merkt er, daß er es nicht aushalten kann und wegschauen will.Wann schauen wir weg? Walser hat diese Frage mit einem Selbstversuch beantwortet.

TAGESSPIEGEL: Fühlen Sie sich denn von "Moralkeulen" bedroht?

MARON: Ich rege mich auf, wenn von "Hühner-KZ" oder von Abtreibungen als einem "neuen Holocaust" gesprochen wird.Ich kann auch Sätze nicht mehr hören, die anfangen mit "Gerade wir Deutschen".Wir haben uns an solche wohlfeilen Redensarten gewöhnt und verlangen sie einander sogar ab.Jetzt bricht das auf, und wir erschrecken.Das gilt für die Diskussion über die deutsche Vergangenheit, über das Mahnmal, über die doppelte Staatsbürgerschaft.Ich habe es immer hochmütig und leichtfertig gefunden, daß der uneingeschränkte Zuzug von Ausländern am leidenschaftlichsten von Leuten gefordert wurde, die im täglichen Leben am wenigsten damit zu tun haben: die in Berlin nicht in Neukölln oder im Wedding wohnen, deren Kinder nicht in Schulen mit 80 Prozent Ausländeranteil gehen.

TAGESSPIEGEL: Enzensberger nannte diese Haltung: "Gratismut".Sind Sie gegen die Doppelpaß-Regelung?

MARON: Ich bin eher für einen Kompromiß statt für den generellen Doppelpaß.Eine Staatsbürgerschaft aufzugeben, bedeutet ja nicht, die kulturelle Herkunft zu leugnen.Aber wir reden in dieser Sache nicht ehrlich.Mir ist es doch völlig egal, ob ein Franzose, Däne oder Engländer bei uns zwei Pässe hat.Eigentlich reden wir über einen islamischen Bevölkerungsanteil, der sich als schwer integrierbar erweist.Wir reden über eine bäuerliche türkische Bevölkerung, die in die deutschen Großstädte gekommen ist und die dort traditioneller lebt als die Stadtbevölkerung in der Türkei.Wäre ich ein Mann, könnte ich darüber vielleicht großzügiger denken.Aber als Frau empfinde ich den Islam, so fundamentalistisch er sich zur Zeit in der Welt darstellt, als bedrohlich.Und wenn ich darüber nicht reden darf, ohne als Ausländerfeind verdächtigt zu werden, befördert es die Integration überhaupt nicht.

TAGESSPIEGEL: Wirkliche Ausländerfeindlichkeit gibt es in Deutschland vor allem dort, wo es nur wenige Ausländer gibt, zum Beispiel in der ehemaligen DDR.

MARON: Im Osten war man den Umgang mit Fremdheit nicht gewöhnt.Vielleicht kannte man aus dem Urlaub Ungarn oder Bulgarien, wo ostdeutsche Touristen manchmal ihren Tisch räumen mußten, wenn eine Reisegruppe von Neckermann ihn gerade brauchte.Kaum etwas von dem, was sie als Ordnung und Verhaltensregeln gelernt hatten, gilt heute noch.Geblieben ist ein Gefühl von Zweitklassigkeit, das auch an die Kinder weitergegeben wird.Diese dumpfe Unzufriedenheit bestimmter Bevölkerungsschichten wird von politischen Gruppen benutzt und instrumentalisiert, besonders von der PDS.

TAGESSPIEGEL: Inwiefern?

MARON: Die PDS behauptet: Wenn ihr Leute totschlagt, liegt das an Kohl, am Kapitalismus, an der Unterschriftenaktion der CDU, an den fehlenden Lehrstellen.Ich glaube, daß man bei den Gewalttätern auch ihre mangelnde Intelligenz bedenken muß.Das entschuldigt nichts, verlangt aber einen besonderen Umgang mit ihnen.Geistig Behinderte haben in diesem Land eine Lobby.Es gibt aber auch Grenzfälle geistiger Beschränktheit, für die sich niemand zuständig fühlt.Politischer Abscheu allein genügt da nicht.Es gibt Gruppen, die man durch Diskussionen offenbar nicht erreicht.

TAGESSPIEGEL: Der ideologisch propagierte Internationalismus der DDR war auch früher nur ein Lippenbekenntnis?

MARON: Der offizielle Antifaschismus verlangte von den Jugendlichen tatsächlich nur Lippenbekenntnisse.Wenn Kinder auf etwas wütend waren, haben sie Hakenkreuze an die Wand gemalt.Das mußte nichts Politisches sein.Das war nur das Verbotenste.

TAGESSPIEGEL: In den neuen Bundesländern gibt es keine äußere Macht, die das übernehmen könnte, was im Westen die Re-Education der Alliierten ein Stück weit leistete.

MARON: Ich wüßte auch nicht, was nachgeholt werden kann, weil jede Generation von vorne anfangen muß, die Vergangenheit zu begreifen.Nur scheint in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das gesellschaftliche Umfeld dem Lernen nicht zu dienen.Es gibt zu wenig Lehrer, die glaubhaft sind.Selbst die Polizei scheint den Jägern oft näher zu stehen als den Gejagten.

TAGESSPIEGEL: Was sagen Sie zur Mahnmal-Debatte?

MARON: Ich habe zu Mahnmalen überhaupt kein Verhältnis.Ich weiß auch nicht, warum man diesen steinernen Friedhof in Berlin braucht; ich kann nur zur Kenntnis nehmen, daß andere es wohl brauchen.Ich gehe auch nicht zu den Gräbern meiner Verwandten oder Freunde.Wenn ich mich an sie erinnern möchte, dann gehe ich durch die Straße, wo sie einmal gewohnt haben, oder sehe mir ein Foto an.

TAGESSPIEGEL: Haben Sie Angst vor Gräbern?

MARON: Nein.Ich gehe auch gern über Friedhöfe.Aber wenn ich an Menschen oder Ereignisse denken will, dann besuche ich nicht Gräber, sondern die Stätten ihres Lebens.

TAGESSPIEGEL: Und wenn die Lebensstätten vernichtet sind und es auch keine Gräber gibt?

MARON: Dann sind Bücher immer noch die bessere Stätte für lebendiges Gedenken.Oder ein Museum mit Zeugnissen.Allerdings haben wir jetzt schon ein Jüdisches Museum, für das es nicht genug Exponate gibt, und darüber hinaus viele authentische Stätten, an denen man gedenken und sich zugleich auseinandersetzen kann mit der Vergangenheit.

TAGESSPIEGEL: Würde eine Amnestie für DDR-Funktionäre auch eine Amnesie bedeuten: das allgemeine Vergessen?

MARON: Wozu eine Amnestie? Kaum jemand wurde wirklich eingesperrt, fast alle Strafen sind auf Bewährung oder Haftverschonung hinausgelaufen.Eine Amnestie käme einem moralischen Freispruch gleich.

TAGESSPIEGEL: Was würden Sie in diesem Fall der PDS raten?

MARON: (Lacht) Daran habe ich noch nie einen Gedanken verschwendet.Ich war immer gegen die Gründung der PDS.Die SED hätte sich schlicht auflösen sollen.

TAGESSPIEGEL: Damit hätte sich nicht die Mentalität ihrer Anhänger aufgelöst.

MARON: Die Menschen hätten sich einfach auf das bestehende Parteienspektrum verteilt.Dann hätten die SPD und die Grünen als linke Gruppierungen eine ganz andere Chance im Osten gehabt.Jetzt haben wir mit der PDS eine reine DDR-Partei, die bisher keine Interessen für das gesamte Land wahrnimmt.Jeder kann sich im Osten beliebt machen, indem er sagt: Ich denke immer erst an euch und dann erst an den Westen.Das ist der ganze Trick der PDS.

TAGESSPIEGEL: Eine linke Stammtischpartei?

MARON: Die Partei ist demagogisch bis auf die Knochen.Was die PDS macht, ist unanständig: menschlich und politisch.

TAGESSPIEGEL: Themenwechsel: Lesen Sie eigentlich junge deutsche Erzähler?

MARON: Eher nicht.Nur wenn mir jemand sagt: Guck mal, den solltest du lesen.

TAGESSPIEGEL: Haben Sie Lieblingsautoren?

MARON: Die Lieben wechseln.Aber auf die berühmte einsame Insel würde ich sicher Natalie Ginsburg mitnehmen und Joseph Roth.Und Goethe - da ist mir viel entgangen.Ich bewege mich gerade zwischen "Wahlverwandtschaften" und Farbenlehre.

TAGESSPIEGEL: Warum die?

MARON: (Lacht) Weil ich da ein Geheimnis vermute, das mich interessiert.Ansonsten? Nabokov natürlich.Und Beckett.

TAGESSPIEGEL: Gehen Sie ins Kino?

MARON: Ja.In letzter Zeit habe ich "Das Leben ist schön" und die "Truman Show" gesehen.Beide mochte ich.Die neue deutsche Komödie hat mir das Herz nicht erwärmen können.Aber "Forrest Gump" fand ich sehr gut!

TAGESSPIEGEL: Wirklich?

MARON: Ich selber schreibe zwar genau das Gegenteil: keine Geschichten mit versöhnlichem Ende.Die Amerikaner aber, die reißen die Welt erstmal ein, und am Ende sammeln sie die Scherben wieder auf.Sie geben den Figuren ihre Entscheidungsfreiheit zurück.Ich glaube, das ist gut.

Der Wind des Vergessens

Postkarten, Fotografien und Erinnerungen: In ihrer Familiengeschichte "Pawels Briefe", die am Montag erscheint, versucht Monika Maron, das Jahrhundert zu spiegeln, und entdeckt überall weiße Stellen

VON GREGOR DOTZAUER

Es war die Zeit vor den weltgeschichtlichen Katastrophen, als Historiker die Vergangenheit noch ungerührt daraufhin untersuchen konnten, wie es denn wirklich gewesen sei.Das Jahrhundert der Weltkriege hat pessimistischere Formeln für die Geschichtsschreibung gefunden.Die berühmteste ist vermutlich Theodor Lessings Wort von der Sinngebung des Sinnlosen.In privaten Zusammenhängen hat immer beides eine Rolle gespielt: die Sicherung der Tatsachen - und ihre Interpretation auf ein Ziel hin, das auch Enttäuschung und Verzweiflung einen Platz gibt.Monika Maron nun beruft sich auf Niklas Luhmann: "Die Komponenten eines Lebenslaufs bestehen aus Wendepunkten, an denen etwas geschehen ist, das nicht hätte geschehen müssen.Das beginnt mit der Geburt."

"Pawels Briefe" ist nicht wirklich eine Autobiographie, sondern eine deutsche "Familiengeschichte" mit drei politischen Zäsuren: der Machtergreifung Hitlers (und dem Beginn der Judenverfolgung), der Gründung der DDR und dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus.Aber das Ich, das sie erzählt, interessiert sich mehr für die eigene Herkunft als für die Lebensumstände der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern.

Monika Maron hat eine Neugier, die auch den Wunsch nach Rechtfertigung beinhaltet, und eine Empathie, die auch der Abgrenzung dient.Sowenig sich das grundsätzlich auseinanderhalten läßt: Die Gerechtigkeit, die sie für ihre Vorfahren beansprucht, gilt mindestens so sehr für selbst.

Das zeigt auch die Episode, die sie ihrer Affäre mit der Stasi widmet (vom "Spiegel" 1995 groß angeprangert und an anderer Stelle längst niedergeschrieben).Wenn man sie schon nicht als Fluchtpunkt des Buches sieht, so bildet sie zumindest den Epilog der hochassoziativen Geschichte - nicht nur aus chronologischen Gründen.Daß Monika Maron sich nichts vorwerfen muß (außer ein wenig zu lauten Ermahnungen ihrer ostdeutschen Landsleute nach dem Mauerfall), hat ihr den Druck offenbar nicht genommen.

Jeder Leser ihres Buches wird zunächst die Ereignisse wahrnehmen, die es spiegelt, und vielleicht noch die breit angelegten Reflexionen über das Erinnern und Vergessen.Er wird zum Schluß kommen, daß es hier um Pawel Iglarz aus Lodz geht, den vom Juden zum Baptisten konvertierten Großvater der Erzählerin, der als Schneider in Neukölln arbeitet, bevor ihn die Nazis 1939 nach Polen vertreiben, 1942 ins Belchatower Ghetto schicken und wenig später umbringen.

Er wird die Lebensgeschichte von Marons Mutter Hella lesen, die sich dem Aufbau des Sozialismus verschreibt und nur von seinen schlimmsten Verirrungen Abstand nimmt.Und er wird das spannungsreiche Verhältnis zu Karl Maron, dem langjährigen Innenminister der DDR und Stiefvater der Erzählerin, kennenlernen.

Beim wiederholten Lesen aber wird er merken, wie wenig das, wovon Monika Maron erzählt, mit Händen zu greifen ist.Es ist Material, an dem sich die Erinnerung abarbeitet.Ein paar Daten, an denen sie aufgehängt ist, ein paar von unbestreitbaren Fakten eingezogene Streben: Mehr bekommt sie nicht zu fassen.Der Wind des Vergessens weht durch ihr Haus, das Erzählenwollen überwuchert den Gegenstand.

Gerade das, was sich von der Vergangenheit fassen läßt, hat etwas Undurchdringliches.Man kann nicht wissen, ob aus Pawels Ghetto-Briefen, die Monika Maron zufällig gefunden hat, noch das spricht, was er einmal gemeint hat.Man kann erst recht nicht wissen, ob man jemand trauen darf, der wie Hella Momente des Glücks besser behält als Momente des Unglücks - selbst wenn er nicht einmal sich selbst belügen will.

"Pawels Briefe" ist von einer Unbestimmtheit in der Sache, die zugleich ein Übergewicht der Interpretation zur Folge hat, was sich besonders bei den Fotos auf den Seitenrändern zeigt, erst im vollen Format, dann in der Ausschnittvergrößerung."Er wirkt klug und schön und streng", schreibt sie etwa über ihren Urgroßvater."Er sieht aus, als wüßte er genau, wie er aussehen will, die Augen gerade und ernsthaft auf den Betrachter gerichtet, ein würdiger Mann, der seinen Platz in der Welt kennt.Sooft ich das Gesicht meines Urgroßvaters betrachtet habe, glaubte ich, ein sehr feines Lächeln darin zu finden.Erst seit ich ernsthaft darüber nachdenke, warum mein Großvater seinen Glauben und damit seine Familie verlassen hat, bin ich unsicher, ob das Lächeln nicht eine Täuschung ist."

Und erst die sprachlichen Zweifel: Vielleicht.Vielleicht.Und noch einmal vielleicht.So jedenfalls ließe sich erklären, warum.Ich neige dazu, daß.Es ist unwahrscheinlich, daß.Ich nehme an, daß.Ich frage mich, ob.Ich kann mir vorstellen, daß.Ich glaube, daß.Ein Arsenal von Zweifeln mindert den Wirklichkeitsanspruch ihrer Aussagen - bis hin zu zweifach abgefederten Erklärungen, die ins Vermuten Gewißheit bringen wollen, um den rhetorischen Vorstoß gleich wieder zurückzunehmen: "Wenn ich einen Satz finden will, von dem ich mit Sicherheit annehmen darf, daß meine Großeltern ihn gekannt und ausgesprochen haben ...", schreibt sie an einer Stelle.Annehmen.Mit Sicherheit.Dürfen.Wenn ich will.Und dann geht es bloß um einen Satz.

Etwas Vageres kann sich ein autobiographischer Erzähler, der nicht nur ein Spiel anzettelt, kaum leisten.Daß die Vagheit zugleich in einem apodiktischen Gestus daherkommt, in einem stilistisch hundertmal geschliffenen Satzbau, macht das Betörende an diesem Buch aus, das von einem poetischen cliff hanger auf das nächste erzählerische blanc zusteuert - jeweils mit drei Asterisken vor dem weißen Abgrund.

"Pawels Briefe" ist ein Buch der Fragen.Entweder prallen sie am dunklen Block des Nichtwissenkönnens ab oder brechen sich an einer vermittelnden Person, die ihrerseits mit der Erinnerung kämpft.In gewisser Weise ist das Dekonstruktivismus für den Hausgebrauch.

Der Ton des Buches liegt dabei irgendwo zwischen Patrick Modianos Erinnerungsmelodie und John Bergers zutiefst persönlichen Bilderdeutungen - auch wenn er unverwechselbar Maron ist.Die löchrige Geschichte, die er trägt, ist nun repetierbar geworden.Der Zweifel ist festgeschrieben und gehört zu dem Bild, das Monika Maron von sich erfunden hat - für sich selbst und für die anderen.Das Irritierendste ist wahrscheinlich, daß die Autorin damit bestens zurechtkommt: "Unsere Fähigkeit, zu vergessen, empfinden wir oft nur als die Unfähigkeit, uns zu erinnern.Das Vergessen steht unter Verdacht, dem Bösen und Schlechten in uns dienstbar zu sein." Damit räumt sie auf."Pawels Briefe" ist ein Plädoyer für die Unschuld des Vergessens - wenn man sich zuvor erinnert hat.

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