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Kultur: Die Uhr geht nach wie vor

Zum ersten Mal passierte es 1915, während des ersten Weltkrieges. Zum zweiten Mal hat sich das Hitlerregime, ebenso in Kriegszeiten, an dem Gang der Uhren zu schaffen gemacht, und Anfang der siebziger Jahre, im Gefolge der Ölkrise, hat man dann wiederum die Alljahreszeit durch die Einführung der Sommerzeit unterbrochen.

Zum ersten Mal passierte es 1915, während des ersten Weltkrieges. Zum zweiten Mal hat sich das Hitlerregime, ebenso in Kriegszeiten, an dem Gang der Uhren zu schaffen gemacht, und Anfang der siebziger Jahre, im Gefolge der Ölkrise, hat man dann wiederum die Alljahreszeit durch die Einführung der Sommerzeit unterbrochen. Immer mit dem Ziel, damit Energie zu sparen, denn jedes Mal handelte es sich um Krisenzeiten. Die Sommerzeit ist also ein staatliches Kriseninterventionsinstrument.

Welche Krise aber wird heuzutage zu bewältigen versucht? Erwünschte Energiesparmaßnahmen, die immer wieder behauptet, aber selten belegt werden, sind es nicht mehr. Zumal die inzwischen weitgehend privatisierte Energiewirtschaft eher an einem höheren Verbrauch von Strom interessiert ist, als an dessen Einsparung. Was aber ist der Grund für die Zeitmanipulation, die uns diesmal der Osterhase ins Nest legt?

Regierungsamtlich wird keiner verlautbart und die Verantwortung für die "Zeit"Umstellung nach Straßburg bzw. Brüssel abgeschoben. Von dort aber hört man auch keine klaren Argumente. Ein Instrument der Krisenintervention kann es ja schon deshalb nicht mehr sein, weil die Befristung der Sommerzeit ab dem Jahr 2002 nach der "Neunten Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Januar 2001", aufgehoben wurde.

Gemacht wird es, nehmen wir einmal an, weil es die anderen EU-Länder auch machen - und weil diese es machen, muss es EU-weit koordiniert werden. Einen überzeugenderen inhaltlichen Grund scheint es nicht zu geben. Wenn es ihn gäbe, dann wird er nicht verlautbart. Und trotzdem, die Sommerzeit ist zu begrüßen. Wir werden durch den plötzlichen Verlust einer Stunde daran erinnert, dass man die Ordnung der Zeit, die ja bei uns die Ordnung der Uhr ist, auch ändern kann. Es gibt nämlich, entgegen anderslautenden Parolen, genug Zeit. Täglich, ja stündlich kommt neue nach. Nur nicht an diesem Sonntagmorgen zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht. Aber die Stunden, die zählen, sind ja meist die Stunden, die nicht gezählt werden.

Der Verfasser lebt als Zeitforscher in Münche

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