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Kultur: Die Vatermörderin

An der Familie führt kein Weg vorbei. Das ist in Algerien nicht anders als in der Schweiz oder der Türkei.

An der Familie führt kein Weg vorbei. Das ist in Algerien nicht anders als in der Schweiz oder der Türkei. Und weil Familienbilder oft miniaturisierte Gesellschaftsporträts sind, kann man einiges aus ihnen lernen, zum Beispiel über kulturelle Differenzen. In den Wüstenregionen Algeriens etwa herrschen archaische Regeln. Der Mann besitzt das familiäre Gewaltmonopol und regiert nach Gutdünken. Doch wehe dem, der kein solcher Mann sein will. Laid, der seit vielen Jahren in einer Küstenstadt lebt, kann weder mit gängigen Männlichkeitsritualen noch mit den Gesetzen des Blutes, der Sohnespflicht oder der Reinigung der Ehre etwas anfangen. Ausgerechnet so einer wird von seiner Schwester nach Hause gerufen, um den Tod des Vaters zu rächen. Dieser Familientyrann war bei seiner Heimkehr aus dem Krieg – aus guten Gründen – von der eigenen Frau getötet worden. Michael Roes erzählt in seinem neuen Roman „Weg nach Timimoun“ (Matthes & Seitz Berlin) keine Geschichte nach dem Leben. Hier wird eine Folie überschrieben, die Aischylos mit der griechischen „Orestie“ geliefert hatte. Am 3.2. (20 Uhr) stellt Roes sein maghrebinisches Roadmovie, das gleichzeitig eine Studie über die Grenzen der Verwestlichung und vor allem großartige Literatur ist, im Literaturhaus (Fasanenstr.23, Charlottenburg) vor.

Vergleichsweise friedlich geht es in schweizerischen Familien zu. Sollte man zumindest glauben. Christoph Geiser belehrt uns eines Besseren. Denn die feine Gesellschaft des Baseler und Berner Großbürgertums verfügt zwar über subtile, aber nicht weniger schmerzhafte Ausgrenzungsverfahren. Besonders, wenn man homosexuell und links ist. Geiser hatte sich in den letzten Jahren sprachexperimenteller Literatur verschrieben. Seine Bücher firmierten nicht mehr als Romane, sondern hießen „Fiktion“, „Fantasie“ oder „Passagen“. Nun werden im Ammann Verlag die eher traditionell erzählten Erstlinge in einer Doppelausgabe neu herausgebracht: „Grünsee“ (1978) und „Brachland“ (1980) erzählen vom Auseinanderfallen der Familie und einer emotionalen Herkunftssuche. Ob diese Neuausgabe als Rückkehr zum realistischen Erzählen verstanden werden soll und worin die Aktualität der „Familienbande“ besteht, erfährt man heute (20 Uhr) in der Literaturwerkstatt (Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg).

Wie bei Roes und Geiser spielen Männer auch in Feridun Zaimoglus großformatigem Familien- und Migrationsroman „Leyla“ (Kiepenheuer & Witsch) eine wichtige Rolle. Diesmal allerdings werden sie aus weiblicher Perspektive geschildert. Am 1.3. (20 Uhr) liest Zaimoglu im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5, Zehlendorf) aus einer „Geschichte aus der alten Zeit“.

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