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Kultur: Die Wand wirft Falten

John van Bergen zeigt seine Skulpturen in der Galerie Lena Brüning

Da schlägt das Weiß an der Wand ein paar Falten, gerade so, als ob die Wand nichts weiter wäre als eine Art Gummituch. Eine frappierende „runde Ecke“ zaubert der amerikanische Künstler John von Bergen aus der dreieinhalb Meter hohen Galeriewand. Jetzt steht sie da wie immer schon hier.

Die Galerie von Lena Brüning war im klassischen Sinne noch nie ein White Cube. Aber diesmal ist der Raum so herrlich weiß, als wollte er sagen: Sieh’ mich an. Dass hier dennoch nichts ist, wie es scheint, deutet der Ausstellungstitel an: Das englische Wort „The Itch“ meint jenen irritierenden Juckreiz, dieses nervige Brennen, kurz bevor sich eine Blase, ein Pickel oder ein Herpes bildet. Man sieht noch nichts, aber das Ungemach ist schon da.

Irritierendes muss man aushalten wollen, und John von Bergen macht es einem nicht leicht. Es gibt immer nur die halbe Geschichte. Bei der Installation „Eben“ arbeitet er auf den ersten Blick ganz klassisch: Sockel unten, Skulptur oben. Aber die Augen werden getäuscht oder geprüft. Das vermeintlich betonschwere Innenstück, das aussieht, als wäre ein Stück weiße Decke herabgekracht, ist aus leichtem Polymergips. Und die vermeintliche Platte aus Plastik – denn Glas hätte doch beim Aufprall eines solchen Volumens in tausend Stücke zerspringen müssen – ist eben genau: Glas. Schwer, klar und schimmernd passt es sich ein in die körnige Struktur des Bruchstücks. Für diese allein handwerklich faszinierende Höchstleistung haben dem Künstler die berühmten böhmischen Glasmeister zur Seite gestanden. Aber das konzeptuelle Herangehen und die Vision für diese visuelle Frechheit ist allein das Verdienst des Künstlers.

Der 1971 geborene Wahlberliner sucht in allen seinen Werkgruppen – Zeichnungen, Fotos, plastischen Arbeiten und Installationen – nach visuellen Gleichnissen für archaische Fragen: Was ist wahr, was ist Lüge? Was kann ich glauben? Weit weg von mancherorts in Mode gekommener „Hoppla-Fälschung-Spaßerei“, die gebrauchsfertige Augentricks als große Kunst vermarktet, fahndet er nach der Lösung. Wobei er mit dem V-Effekt nicht nur wie Brecht umgeht, sondern auch wie Ringelnatz oder Lao Tse. V – wie Verdrehung, Vortäuschung, Versuchung und Vertrauen in die Fantasie.

Für die kleinere Arbeit „Ghost“ hat von Bergen den Kavalleriesäbel seines Großvaters hinter das Weiß der Galeriewand gebaut. Ganz nebenbei, wie einen Holzsplitter in die Haut. Aber ist es wirklich ein Säbel? Oder vielleicht doch nur die Gipsform? Das lässt sich hinter dem alles nivellierenden Weiß nicht mehr sagen. Natürlich kann man forschen oder Beweise anbringen. Doch auch so ist jedes Medium seine Botschaft. Thea Herold

Galerie Lena Brüning, Almstadtstraße 50; bis 13. Oktober, Di–Sa 13–18 Uhr

Thea Herold

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