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Kultur: Die Widerständige - Zum Tod der Schauspielerin

Nach Helene Weigel im Berliner Ensemble die "Mutter" zu spielen, verlangte Mut und Selbstbewusstsein. Felicitas Ritsch stellte sich 1974 dieser Aufgabe in dem Stück von Brecht nach Maxim Gorki mit Achtung, aber ohne unterwürfige Rücksicht gegenüber dem großen Vorbild.

Nach Helene Weigel im Berliner Ensemble die "Mutter" zu spielen, verlangte Mut und Selbstbewusstsein. Felicitas Ritsch stellte sich 1974 dieser Aufgabe in dem Stück von Brecht nach Maxim Gorki mit Achtung, aber ohne unterwürfige Rücksicht gegenüber dem großen Vorbild. Ihre "Mutter" war härter, kantiger als die der Helene Weigel, Trotz und widerständiges Verhalten der Proletarierin waren weniger von freundlich-listigem Charme überglänzt.

Felicitas Ritsch spielte die durch Lebenserfahrung geprägte, kluge, patente Frau, der nichts vorgemacht werden kann. Und sie zeigte das gestisch exakt, machte die Figur auffällig durch Distanz, verwandelte sich ihr nicht rückhaltlos an. Diese Haltung, den Widerspruch zwischen Schauspieler und Figur deutlich zu machen, hat die schauspielerische Arbeit von Felicitas Ritsch geprägt. Im Alter von 74 Jahren ist sie vorgestern Nacht in Berlin gestorben.

Nach dem Studium am Deutschen Theaterinstitut Weimar war sie in Leipzig, Nordhausen, Stralsund und Meiningen engagiert, bevor sie 1959 zum Berliner Ensemble kam. Hier spielte sie viele große Rollen, darunter die Grusche im "Kaukasischen Kreidekreis". Wie diese Magd eine Beziehung zum Kind findet, das ihr aufgedrängt wird, wie Naivität, ja Begriffsstutzigkeit sich wandelt zu einer schlichten, festen Tapferkeit, zur stillen Freude über das endlich ihr zugesprochene, von ihr verteidigte und ernährte Menschenwesen, wird unvergesslich bleiben. Felicitas Ritsch spielte in fast vier BE-Jahrzehnten in mehr als vierzig Inszenierungen (unter den Regisseuren Ruth Berghaus, Uta Birnbaum, Erich Engel, Peter Kupke, Manfred Wekwerth) neben vielen anderen Rollen die Kommissarin in der "Optimistischen Tragödie", die Witwe Begbick in "Mann ist Mann", die Jenny in "Mahagonny" und die Frau Peachum in der "Dreigroschenoper", sie trat außerdem mit Brecht-Liedern und -Gedichten auf. 1985 wurde sie für ihr Lebenswerk mit der "Helene-Weigel-Medaille" ausgezeichnet.

Jeder Figur gab sie Genauigkeit bis in die Fingerspitzen hinein. Sie wollte nicht volkstümlich sein in einer bequemen, anbiedernden Art. Sie blieb immer herb, kontrolliert, lud den Zuschauer ein, mit geschärfter Beobachtungsgabe Menschen auf der Bühne zu erleben und zu beurteilen.

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