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Kultur: Die Würde des Propheten

Über Blasphemie und Freiheit / Von Ilija Trojanow

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Zu Lebzeiten, aber auch nach dem Tod. Das gilt für Atheisten sowie für Gläubige. Und es gilt selbst für Propheten. „Ja, wir dürfen uns über Gott lustig machen“, titelte vor einigen Tagen „France Soir“, und offenbarte eine lachhafte Unkenntnis des Islam. Denn Mohammed ist durch und durch Mensch, der Religionsstifter zwar, hoch verehrt und bewundert, aber ebenso ein Mann, der Kinder gezeugt, einen Haushalt geführt und Fehler sowohl begangen als auch zugegeben hat. Somit ein Erdenbürger, der wie alle anderen Respekt verdient, aber auch kritisch hinterfragt werden kann.

Die Frage ist nicht, ob wir ein Grundrecht auf Blasphemie verteidigen müssen, sondern ob wir das Recht haben, andere Menschen verächtlich zu machen. Das Problem der Blasphemie ist ja schon knifflig genug, denn wer annimmt, Gott könne von einem Menschen beleidigt werden, oder Gott sei nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren, der stellt die Allmacht Gottes in Frage, und macht sich einer erheblich schwerwiegenderen Blasphemie schuldig. Das zu diskutieren wäre spannend, aber stattdessen werden die Werte der säkularen Gesellschaft auf einem höchst merkwürdigen Schlachtfeld verteidigt: dem Recht auf Beleidigung.

Nun sind viele Menschen im Westen erschrocken, wie leicht sich diese „fundamentalistischen Moslems“ beleidigen lassen. Aber da man sich dessen bewusst war (der dänische Redakteur hat ja zugegeben, dass er die Provokation gesucht habe), muss man sich wundern, welchen Wert es haben soll, jemanden zu beleidigen, den viele Gläubige wie ihre eigene Mutter lieben, und dann darauf zu beharren, man habe jedes Recht dazu. Das ist kindisch und endet schon auf dem Schulhof mit einer Keilerei. Es ist politisch wie auch intellektuell idiotisch, weil es in die Hände der Fanatiker spielt, die sich über nichts mehr freuen, als über den Beweis, dass der Westen den Islam verachtet.

Es ist schändlich, dass die hohen Werte der Aufklärung sich reduziert haben auf rüde Witzeleien. Wer die Freiheit wirklich verteidigen will, sollte eine Lanze für die Vielfalt innerhalb des Islams brechen, anstatt durch Zuspitzung alle Zwischentöne zum Verstummen zu bringen.

Der Autor lebte viele Jahre in Indien. Er veröffentlichte u. a. „Zu den heiligen Quellen des Islam – Als Pilger nach Mekka und Medina“ (Malik). Im März erscheint bei Hanser der Roman „Der Weltensammler“ über den britischen Orientreisenden Richard Francis Burton.

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