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Der ehemalige Unternehmer und Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler

© Thomas Dashuber / Agentur Focus/ S. Fischer Verlag

"Das Geld spricht" von Ernst-Wilhelm Händler: Diese Sprache versteht jeder

Machtbewusst und dauernd beleidigt: Ernst Wilhelm Händler lässt in seinem neuen Roman das Geld erzählen, wie es die Welt sieht

Gäbe es einen Preis für die originellste Erzählperspektive, Ernst-Wilhelm Händler würde ihn mit seinem neuen Roman „Das Geld spricht“ (S. Fischer, 398 S., 22 €.) garantiert gewinnen. Denn der Titel ist literarisches Programm. Hier offenbart sich der Mammon, wobei sich das Geld selbst nie so nennen würde.

Weil dieser Erzählgott bislang unbekannt war, darf er sich ausführlich und entsprechend selbstbewusst vorstellen: „Ich bin die erfolgreichste Sprache, die es gibt. Meine Begriffe erfassen die wichtigen Dinge: Was wichtig ist, hat einen Preis, was nicht wichtig ist, hat keinen.“

Kaum ein anderer deutschsprachige Schriftsteller kennt sich in der Welt der Wirtschaft so gut aus wie Händler, der mal ein Unternehmen mit 250 Beschäftigten leitete und die Firma 2004 verkaufte. Dieser Autor kommt nicht nur aus der Wirtschaft, auch sein Erzählformen wirken pragmatisch und zielorientiert.

Seine Romane begreift Händler dezidiert als „Erkenntnisinstrument“. Aus der Idee wird bei ihm ein literarisches Konzept, das in diesem Fall nicht zuletzt von der humoristischen Fallhöhe profitiert. Das betrifft nicht nur das Verhältnis von auktorialem Erzähler und Romanhandlung, sondern vor allem die Art und Weise, wie der Alleswisser sich ins Geschehen einbringt.

Das Geld erzählt hier eine klassische Geschichte

Das Geld ist nämlich menschlicher, als es den Menschen lieb sein dürfte. Es ist machtbewusst, hochsensibel und dauerbeleidigt. Weil die Menschen das Wesen des Geldes verkennen, ihm einerseits absprechen, eine Seele zu haben, ihm anderseits aber die Schuld an allen finanziellen Katastrophen geben.

Das Geld fühlt sich falsch verstanden und missachtet. Vor allem seit Einführung der Negativzinsen: „Früher habe ich nicht gesprochen. Ich war auch sonst sehr leise. Aber jetzt - ICH BIN WENIGER ALS NICHTS WERT.“

Wenn das Geld wirklich empört ist, lesen wir das in Versalien. Als wolle dieser Erzähler nichts unversucht lassen, um dem unwissenden Publikum sozusagen die Grundgedanken einzuhämmern, und das Schöne ist, die Keynotes des Geldes sind irgendwie wahre, zugleich wahnwitzige Ich-Botschaften, wie etwa sich „nichts und niemanden rechtfertigen zu müssen.“ Natürlich nicht. Macht das Geld trotzdem. Händlers ganzer Roman kann als narzisstische Rechtfertigungsorgie verstanden werden.

Das Geld wählt, um sich und sein Wirken angemessen ins Licht zu rücken, eine nahezu klassische Geschichte aus. Ein erfolgreicher Tech-Gründer möchte 500 Millionen Dollar anlegen, die nach einem erfolgreichen Börsengang in den USA auf seinem Konto liegen. Das Geld soll nicht in seine Firma investiert werden, also beauftragt er einen Frankfurter Banker, er möge sich doch bitte gewinnbringend darum kümmern.

In einem radikalen Präsens-Stakkato beschreibt der Erzähler seine Figuren, die selten Namen tragen, sondern so wie ihre Funktionen heißen. Der Gründer. Der Banker. Oder eben das Geld. Was wiederum nicht heißt, dass die Abgründe und Sehnsüchte der Romanhelden übergangen werden. Der Banker wundert sich beispielsweise, warum der Gründer ausgerechnet zu ihm kommt, und erkennt sogleich eine lukrative Sinnsuche: „Er will etwas über sich selbst erfahren. Sich über sich selbst klarwerden.“

Händlers Roman ist ein amüsantes Lesevergnügen

Drei Finanzgenies werden um die Beute kämpfen, einer merkwürdiger als die andere. Ihre Anlage-Strategien sind nicht nur das Ergebnis langjähriger Erfahrung, sie entspringen auch ihren Charakteren. Da gibt es den „Nano-Mann“, einen Mathematiker, der mit seinem Bruder und mithilfe komplizierter Modelle einen Hedgefonds erfolgreich verwaltet.

Leider ist der Bruder unter rätselhaften Umständen verschwunden, und keine noch so ausgeklügelte Berechnung hilft dem traurigen Rechenkünstler, den Bruder und Partner aufzuspüren. Dem gegenüber steht der „schwere Mann“, der einst in einem Hi-Fi-Geschäft in Frankfurt als Handlanger ausgeholfen und durch Zufall in die Finanzwelt kam: wegen der Installation einer Stereoanlage bei einem Banker, der sich dann hochgearbeitet und über die Gründe seines Erfolgs ein selbstironisches Buch geschrieben hat.

Das Geld, sozusagen der Autor dieser Männer, ist von beiden nicht wirklich überzeugt. Nicht mal der Banker kommt gut weg, weil der nur an seine Freundin denkt, die ihn verlassen hat.

Das Geld ist ganz schön durchtrieben

Nach der Hälfte des Romans könnte „Das Geld spricht“ für eine Persiflage der Macho-Wirtschaft gehalten werden. Dann aber tritt Banana Clip auf, eine kapriziöse Managerin aus Düsseldorf, die alle Männer in puncto Hybris in den Schatten stellt. Im ersten Gespräch mit dem Banker, ob sie ein Lieblingsthema habe, antwortet sie: „Mich“.

Diese Frau kennt keine feste Strategie und erklärt dem erstaunten Banker, sie imitiere erfolgreiche Anlagemethoden und habe vor allem eines: Glück. Falls mal etwas nicht klappt, tröstet sie sich mit dem eigenen Einfallsreichtum: „Wenn ich Fehler mache, sind das Originalfehler. Ich will ein Copyright darauf!“

Das erleichtert die Entscheidung nicht, wer die Millionen nun bekommen soll, macht den Roman auf der Handlungsebene aber zu einem amüsanten Lesevergnügen, das zeitweilig aber auch anstrengend ist, was wiederum an der Materie selbst liegt.

Von Finance verstehen nur wenige etwas. Es wäre interessant, diesen Roman von einem Finanzprofi lesen und dabei überprüfen zu lassen, ob die erwähnten Thesen und Themen aus der Geldwirtschaft halbwegs sachgerecht dargestellt oder eher für den fiktiven Rahmen zugespitzt worden sind.

Amateure, das lernt man, haben im Bereich der Finanzspekulation keine Chance. Das Geld, diese durchtriebene Erzählinstanz, erinnert uns an die peinliche Unwissenheit über einen so wichtigen Teil des modernen Lebens – und Ernst Wilhelm Händler dreht mit seinem Roman die Klischeevorstellungen, die wir von der Finanzwelt haben, gleich mehrfach durch die Mangel.

Carsten Otte

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