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Kultur: Diese Woche auf Platz 77 Michael Jackson:

„Number Ones“

HITPARADE

Eines muss man Michael Jackson lassen: Seine Webdesigner sind so gut wie seine Toningenieure. Seine neue Internet-Seite (www.mjjscource.com) groovt grafisch ganz enorm. Am Ende des kurzen animierten Intros wackelt sogar das Browser-Fenster. Dann folgt das Motto: „A New Beginning“. Wozu hat Jackson diese Seite ins Netz stellen lassen? Um sich Gehör zu verschaffen. Es will der Star direkt zur Öffentlichkeit sprechen, seine Anwälte vorstellen, die 37 gemeinnützigen Organisationen aufzählen, die er unterstützt und so weiter.

Verständlich – angesichts der an Hexenprozesse erinnernden Medienhysterie. Vergangenen Herbst taten sich sogar deutsche Radiosender, allen voran der Bayerische Rundfunk, als Moralapostel hervor und kündigten an, keine Jackson-Songs mehr zu spielen. Bigotter Unfug, allein wenn man bedenkt, dass Songs von R.Kelly anstandslos laufen, dessen Freizeitbeschäftigung mit minderjährigen Mädchen ausführlich auf Video dokumentiert ist und gegen den einige Dutzend Anklagepunkte erhoben werden. Aber Fragen von Schuld und Sühne haben wenig mit Musik zu tun. Michael Jackson ist vermutlich die semiotisch am gründlichsten analysierte Figur der Pop-Geschichte. König Ludwig, Dorian Gray, Zauberlehrling – alles durchdekliniert. Trotzdem wird niemand wissen, was in ihm vorgeht, vielleicht nicht einmal er selbst. Er ist eine bemitleidenswerte Erscheinung geworden, die vom Glanz vergangener Zeiten lebt. Aber auch der verblasst irgendwann. Sein Best-of-Album „Number Ones“ – auch das teilt Jackson auf seiner Seite mit – ist das am schlechtesten verkaufte seiner Laufbahn: bislang weltweit nur vier Millionen Stück. Ein einziges Stück darauf wurde von Kelly und Jackson gemeinsam geschrieben: „One More Chance“. Die können beide gut gebrauchen.

Ralph Geisenhanslüke

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