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Kultur: Dietrich Körner: Das Geheimnis hinter der Kraft

Die Reihen lichten sich. Nach Rolf Ludwig, Klaus Piontek und Kurt Böwe hat nun auch Dietrich Körner seinen letzten Auftritt auf der Bühne gehabt.

Die Reihen lichten sich. Nach Rolf Ludwig, Klaus Piontek und Kurt Böwe hat nun auch Dietrich Körner seinen letzten Auftritt auf der Bühne gehabt. Es ist, als wolle sich die alte Garde des berühmten DT-Ensembles nun anderswo zusammenfinden: im Himmel der Komödianten. Fast vierzig Jahre lang, seit 1963, gehörte Dietrich Körner zu diesem von Wolfgang Langhoff und Wolfgang Heinz aufgebauten und betreuten Ensemble, er spielte die Helden, die "schweren Männer" in Stücken von Sophokles und Shakespeare, von Goldoni und Corneille, von Lessing und Schiller, von Ibsen und Hauptmann, von Hebbel und Hofmannsthal.

Immer wieder aber fand er zurück zu Tschechow, zu "Onkel Wanja" (Titelrolle), zur "Möwe" (Gutsverwalter). Diese Rollen lagen ihm ganz besonders, denn das Heldenklischee, das Kräftige, Einfache, Freundliche, Gutmütige bediente Körner schon lange nicht mehr. Er hatte wohl angefangen mit den handfesten Kerlen und strahlenden jungen Leuten, aber er reifte schnell zu einem Charakterdarsteller, dem es auf die Zwischentöne ankam, auf den Zweifel und die Trauer, auf das Bedenkliche, Melancholische hinter aller körperlichen Kraft und Fülle.

Dem Eindeutigen, Fertigen wich der Schauspieler in seinen Rollengestaltungen aus, er zeigte, was es kostet, in großen Kämpfen überlegen, listig, freundlich zu bleiben - und wie schwer es ist, trotz aller bösen Erfahrungen noch immer auf Menschlichkeit zu vertrauen. Mit den Jahren wurden Körners Figuren gleichsam weiser und auch dunkler, kantiger und böser, und behielten doch eine leise Zuversicht, einen Humor, bitter und gütig zugleich.

Schauspieler wie Körner, die aus breiter Brust Kraft und Stimme holen können und sich dennoch auf das äußerlich Überzeugende, ja Überwältigende nicht verlassen, sind selten. Wenn einer, der auf der Bühne schon durch seine Erscheinung wie ein Turm in der Schlacht steht, Verletzlichkeit zeigen kann, Zweifel, Wehmut, Trauer und tiefe Sorge, dann wird dieser "Große" auf eine unwiderstehliche Weise zum Menschen.

Das eben vermochte Dietrich Körner, und er war dabei durchaus nicht nur auf die großen Rollen aus. Ganz im Gegenteil - er gehörte ohne Wenn und Aber zum Ensemble, fühlte sich jeder Aufgabe verpflichtet, die ihm gestellt wurde. So spielte er im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts Rolle auf Rolle, vom Kreon in "König Ödipus" (Sophokles) bis zum Hakenfingerjakob in Brechts "Dreigroschenoper", vom Brabantio in Shakespeares "Othello" bis zum Museumswärter Irrsiegler in Thomas Bernhards "Alte Meister". Die von Thomas Langhoff besorgten Tschechow-Inszenierungen "Onkel Wanja" und "Die Möwe" sollten im Spielplan des seit September von Bernd Wilms geleiteten Deutschen Theaters noch lange bleiben. Sie werden nun nicht zu halten sein. Der Tod von Dietrich Körner, der im Dezember 1999 seinen 70. Geburtstag feiern konnte, reißt eine Lücke, die nicht zu schließen ist.

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