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Seiji Ozawa bei einem Kinderkonzert in Kyoto im Februar 2016. 

© imago/Kyodo News/imago stock&people

Dirigent Seiji Ozawa gestorben: Die Berliner Philharmoniker verlieren einen Freund

Den Berliner Philharmonikern war er seit 1966 eng verbunden: Im Alter von 88 Jahren ist der japanische Dirigent Seiji Ozawa jetzt in Tokio gestorben.

Er war der erste japanische Dirigent, dem eine Weltkarriere gelang. 1935 als Kind japanischer Eltern in der besetzten Mandschurei geboren, kam Seiji Ozawa früh mit westlicher Kunstmusik in Berührung. Sein Vater war buddhistischen Glaubens, seine Mutter aber eine Christin. Sein Klavierlehrer, in Leipzig ausgebildet, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, europäische Kammermusik nach Japan zu bringen. Ein Herzensziel, das er seinem Schüler vererben sollte.

Nachdem eine Sportverletzung Ozawas Plan, Pianist zu werden, zunichte gemacht hatte, nahm er ein Kompositions- und Dirigierstudium auf, reiste nach dem Abschluss 1958 nach Europa, gewann den wichtigen Dirigierwettbewerb von Besancon, assistierte bei Leonard Bernstein, dann bei Karajan. 1963 konnte er seinen ersten Chefposten antreten, in seiner Heimat, am Tokioter Nissei-Theater. 1964 kam die Leitung des Toronto Symphony Orchestra dazu, sechs Jahre später wechselte er nach San Francisco. 1973 begann seine Liaison mit dem Boston Symphony Orchestra, die fast drei Jahrzehnte währen sollte. Seine letzte Generalmusikdirektorenstelle bekleidete er von 2002 bis 2010 an der Wiener Staatsoper. Die Berliner Philharmoniker dirigierte Ozawa seit 1966 regelmäßig.

Ein Maestro von größter Höflichkeit

Ozawas Fähigkeit, selbst groß angelegte Partituren transparent und facettenreich auszuleuchten, prädestinierte ihn für das romantische und spätromantische Repertoire. Vor allem seine detailreich ausgearbeiteten Brahms-Interpretationen kam das zugute. Er zeigte den Komponisten als virtuosen Rhetoriker, ließ die Musik organisch wachsen, frei strömen. Dabei begegnete er allen Werken mit demselben Respekt und derselben Höflichkeit wie den Musikern, mit denen er seine feingeistigen Interpretationen realisierte. Bei den Berliner Philharmonikern pflegte er schon vor Konzertbeginn die Hände aller Instrumentalisten zu schütteln, die er vom Dirigentenpult aus erreichen konnte.

Neben dem deutschen Repertoire bis hin zu Anton Webern interessiert sich Seiji Ozawa auch intensiv für die französische Musikgeschichte, setzt sich für Fauré und Debussy ebenso ein wie für Arthur Honegger und Henri Dutilleux. Und natürlich leitet er wichtige Uraufführungen wie 1975 György Ligetis „San Francisco Polyphony“ oder 1983 Olivier Messiaens Bühnenwerk „Saint Francois d’Assise“.

Im Januar 2008 hatte Ozawa in Berlin zusammen mit Anne-Sophie Mutter ein Konzert zum 100. Geburtstag Herbert von Karajans gestaltet, nach langer krankheitsbedingter Pause wegen einer 2010 diagnostizierten Speiseröhen-Krebserkrankung konnte er dann erst 2016 wieder in der Philharmonie dirigieren. Bei diesem Konzert ernannte ihn das Orchester zum Ehrenmitglied. Es sollte sein letzter Auftritt mit den Berliner Philharmonikern werden. Jetzt ist Seiji Ozawa im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Tokio an Herzversagen gestorben.

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