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Kultur: Dmitri statt Amadeus

Während alle Welt jetzt schon damit beschäftigt zu sein scheint, Mozarts 250.Geburtstag zu feiern, halten vier Berliner Musiker tapfer dagegen: Nichts Geringeres als die Aufführung aller 15 Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch hat sich das aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker formierte Philharmonia-Quartett vorgenommen.

Während alle Welt jetzt schon damit beschäftigt zu sein scheint, Mozarts 250.Geburtstag zu feiern, halten vier Berliner Musiker tapfer dagegen: Nichts Geringeres als die Aufführung aller 15 Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch hat sich das aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker formierte Philharmonia-Quartett vorgenommen.

Erstens verdient es Respekt, wenn ein Quartett die Mammutaufgabe schultert, diese 15 Werke einzustudieren. Zweitens hat der 1906 geborene Schostakowitsch im nächsten Jahr genauso viel Recht gefeiert zu werden wie Mozart. Drittens sind die 15 Quartette neben den sechs Bartók-Quartetten nun einmal der wichtigste Werkkorpus, den die Streichquartett-Literatur im 20. Jahrhundert aufzubieten hat. Und schließlich sind Mozarts Schöpfungen auch ohne Jubiläum schon üppigst in den Konzertprogrammen vertreten, während von Schostakowitschs Quartetten höchstens mal das achte zu hören ist. Und das hauptsächlich, weil der Komponist das 1960 in Dresden geschriebene Opus „Dem Andenken der Opfer von Krieg und Faschismus“ widmete - das achte wird vermutlich öfter als musikalisches Rahmenprogramm für Gedenkveranstaltungen eingesetzt als tatsächlich im Konzertsaal gespielt. Ansonsten aber lassen sich die Gelegenheiten, bei denen Schostakowitschs Quartette in den letzten Jahren in Berlin zu hören waren, vermutlich an zwei Händen abzählen.

Angesichts der enormen Popularität, die die (ebenfalls 15) Sinfonien inzwischen beim Publikum besitzen, oder auch angesichts des hoch in die Hunderttausende gehenden Verkaufserfolges, den CDs mit Schostakowitschs Jazz-Suiten erzielt haben, ist die Vernachlässigung dieser Werkgruppe nachgerade unbegreiflich. Denn unter den 15 Quartetten ist kein Flop oder Jugendwerk: Schostakowitsch entdeckte die Form des Streichquartetts erst in der Zeit seiner inneren Emigration unter Stalin für sich – jedes dieser Stücke hat zutiefst bewegenden Bekenntnischarakter. Höchste Zeit also, dass sich das ändert: Am Mittwochabend im Kammermusiksaal startet das Philharmonia-Quartett, ganz chronologisch, mit den Quartetten eins bis vier.

Jörg Königsdorf

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