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Foto: Tiziana Fabi/AFP

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Kultur: Dorfkosmiker

Dem Filmregisseur Otar Iosseliani zum 80.

Sie seien Botschaften an seine Freunde, sagt der Georgier Otar Iosseliani von seinen Filmen: schnörkellos, dringlich, direkt aus dem Herzen. Die polyphonen Gesänge seiner Heimat schwingen darin mit, und das Dorf ist sein Kosmos, denn dort sind Menschen mit sich, den einfachen Dingen und Verrichtungen eins, so dass sich fast wortlos melancholische Geschichten vom drohenden Verlust dieser Schönheit erzählen lassen.

„Pastorali – ein Sommer auf dem Dorf“ schilderte 1975 die Begegnung einer Gruppe von Musikern mit grusinischen Landbewohnern. Das Dorf nahm Otar Iosseliani auch in seine zweite Heimat Paris mit, wo er sich 1982 niederließ, nachdem „Pastorali“ endlich bei den Filmfestspielen in Berlin aufgeführt werden konnte. Die Komödie „Die Günstlinge des Mondes“, 1984 sein größter Erfolg, verwickelte Bewohner des 13. Pariser Arrondissements in slapstickartige Episoden rund um einen Kunstdiebstahl.

1934 in Tblissi geboren, studierte Otar Iosseliani in seiner Heimat Komposition und Klavier, dann Mathematik an einem Eliteinstitut in Moskau. Als ihn ein wacher Professor darüber aufklärte, dass ihm eine Laufbahn in der sowjetischen Waffenentwicklung bevorstünde, wechselte er 1955 auf die legendäre Filmhochschule W.G.I.K. Sein Debüt „Aprili“ (1962) schilderte, an Jacques Tati angelehnt, wie ein Paar aus dem Hinterhof in eine Neubauwohnung aufsteigt, über dem Fortschritt aber in eine Liebeskrise stürzt. Formalismus nannten die Zensoren seinen Stil und verboten den Film.

Eigentlich tätig für das Filmstudio Grusia, betätigte sich der junge Regisseur zeitweilig lieber als Matrose und Metallarbeiter, als sich der Zensur anzupassen. Auch „Die Weinernte“, die Geschichte eines Idealisten, der gegen betrügerische Panscher in einem Weinhandel aufsteht, fiel 1966 in Ungnade. Man stieß sich an der Nummer eines Rotweinfasses, die angeblich den 50. Jahrestag der glorreichen Oktoberrevolution verunglimpfte.

Iosselianis Werk umfasst rund 20 Spiel- und Dokumentarfilme, von denen viele auf den Festivals in Cannes, Berlin, Venedig und Locarno ausgezeichnet wurden. In dem Spielfilm „Und es ward Licht“ feierte er 1989 noch einmal das unentfremdete Leben in einem senegalesischen Dorf, das durch europäische Holzfäller aus der Balance gerät.

In „Montag Morgen“ bricht ein französischer Fließbandarbeiter in ein Reiseabenteuer nach Venedig auf, in „Jardins en automne“ (2006) entdeckt ein geschasster Minister die Freuden des einfachen Lebens wieder. Iosselani setzte sich in dem Dokumentarfilm „Seule, Georgie“ und dem Spielfilm „Brigands“ mit der Geschichte Georgiens auseinander und kehrte zuletzt 2010 mit seinem autobiografischen Film „Chantrapas“, der Geschichte eines von den Zensurbehörden gegängelten Regisseurs, in seine Heimat zurück. Am heutigen Sonntag feiert Otar Iosselani, der zwischen 1988 und 1990 als Fellow des DAAD und des Wissenschaftskollegs auch in Berlin lebte, seinen 80. Geburtstag. Claudia Lenssen

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