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"Drüben": Deutsch-deutsche Ansichten

Das jeweils "Andere" hatte für Ossis und Wessis eine ganz spezielle Bedeutung. Diesem emotional aufgeladenen Thema widmet sich das Haus der Geschichte in Bonn mit der Ausstellung: "drüben. Deutsche Blickwechsel".

Bonn - "Geh doch nach drüben", bekam so mancher westdeutsche Friedensdemonstrant in den 70er Jahren zu hören. Gemeint war abschätzig die DDR. Auf der anderen Seite der Grenze träumten sie vom "Rübermachen" in den scheinbar "Goldenen Westen". Die Geschichte hat das alles überholt. "Drüben" ist heute - auf den ersten Blick - nicht mehr fern. Geblieben ist aber die tiefere Bedeutung des Wortes "drüben", das in den Jahrzehnten der Teilung auch für trennende Wahrnehmungen stand und bis heute Gräben, Unverständnis und Konkurrenzdenken zwischen "Ossis" und "Wessis" symbolisiert.

Mehr als tausend Stücke dokumentieren und veranschaulichen, was die Menschen in der Bundesrepublik und der DDR mit "drüben" verbanden, und welches Bild sie von ihren Landsleuten im jeweils anderen Teil Deutschlands hatten. Die Schau ist vom 8. Dezember bis zum 9. April zu sehen und wird anschließend noch in Leipzig gezeigt. Chronologisch wird zurückgeblickt auf das schrittweise und von der DDR immer stärker erzwungene Auseinanderdriften in den 50er Jahren bis zum Mauerfall im November 1989 - mit dem abgehängten Honecker-Porträt und dem Bild eines Trabi-Torsos im Sperrmüll-Container.

Noch immer Vorurteile

Die Ausstellung macht deutlich: "drüben" stand früher nicht nur für die Tatsache unterschiedlicher Lebenswelten, sondern mehr noch für die Ansichten und Einschätzungen, die es zum jeweils anderen Deutschen gab. Neben Desinteresse für andere Lebenserfahrungen habe es auch viel verzerrte und abschätzige Sichtweisen gegeben, was bis heute nicht abgebaut sei, sagte Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche. "Beide sprechen zwar Deutsch, sprechen aber zu wenig miteinander und haben offenbar auch unterschiedliche Kommunikationsstrukturen." Deshalb sei man sich "einander bis heute auch fremd". Ein Ziel der Ausstellung liege darin, Vorurteile und Klischees abzubauen, indem andere Lebenserfahrungen nachvollziehbar würden.

Schuld an Verzerrungen und Abgrenzungen war nicht zuletzt auch die Politik, die persönliche Bindungen erschwerte oder verhinderte. In den gelenkten DDR-Medien wurde an der "BRD" nichts Gutes gelassen. Originalsendungen des berüchtigten "Schwarzen Kanals" zeigen, wie Karl-Eduard Schnitzler über den "Klassenfeind" herzog, den Mauer-Schießbefehl als "Sudelpropaganda" des Westens darstellte und in seiner letzten Sendung am 30. Oktober 1989 noch sagte: "Der Klassenkampf geht weiter."

Idealisierte "BRD"

Doch das von der SED gezeichnete Bild beeinflusste - so heißt es in einem Ausstellungstext - die Mehrheit der Bevölkerung kaum. Mit "BRD" habe sie "Freiheit, Wohlstand und Weltläufigkeit" verbunden. Gezeigt wird, wie sich DDR-Bürger im Alltag mit dem vielfach idealisierten "drüben" einrichteten: Wimpel von Fußball-Bundesligisten wurden nachgebastelt, Mode imitiert, Westfernsehen konsumiert. Die Jahre nach dem Mauerfall brachten dann nach anfänglicher Euphorie viel Ernüchterung - auf beiden Seiten. Und die "Mauer in den Köpfen" ist auch nicht verschwunden - auf ihre nachwirkenden Ursachen lenkt die Ausstellung den Blick. (Von Edgar Bauer, dpa)

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