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Kultur: Du Hirtenvolk, erschrecke nicht!

Geschrieben in Leipzig zum Weihnachtsfest 1734, aufgeführt an den drei Weihnachtsfeiertagen, Neujahr 1735, Sonntag nach Neujahr und Epiphanias, sind die sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums den fernen Vorläufern der jetzigen Thomaner zugeeignet.Daß der Thomaskantor Johann Sebastian Bach mit der Situation der damaligen Kirchenmusik und den Zöglingen der Thomaskirche keineswegs zufrieden war, ist vergessen über der Beliebtheit des Werkes.

Geschrieben in Leipzig zum Weihnachtsfest 1734, aufgeführt an den drei Weihnachtsfeiertagen, Neujahr 1735, Sonntag nach Neujahr und Epiphanias, sind die sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums den fernen Vorläufern der jetzigen Thomaner zugeeignet.Daß der Thomaskantor Johann Sebastian Bach mit der Situation der damaligen Kirchenmusik und den Zöglingen der Thomaskirche keineswegs zufrieden war, ist vergessen über der Beliebtheit des Werkes.

Wenn also nun der Thomanerchor kommt, um "Jauchzet, frohlocket!" zu intonieren, erwartet sich das Publikum ein Fest.Und erlebt eine intensive Leichtigkeit der Musik.Denn Georg Christoph Biller, Thomaskantor seit 1992, früher selbst Thomaner, weiß mit dem Pfund zu wuchern, das ihm das "gesegnete Sachsen" überantwortet hat.Der Chor präsentiert sich unter seiner Leitung kleiner und feiner.Er trägt an der Rezeptionsgeschichte Bachscher Musik wie kein anderer.Zwischen gestern und heute steht die Singakademie.Dem entspricht der Weg des Weihnachtsoratoriums, das im Nachlaßverzeichnis C.P.E.Bachs noch in einzelnen Kantaten geführt, aber schon als "Oratorium ...in 6 Theilen" im Katalog des nächsten Besitzers verzeichnet wird.Der heißt "Carl Friedrich Zelter.Singakademie Berlin".Da die moderne Aufführungspraxis wiederum die Quellen sucht, folgt auch Biller mit seinen Thomanern einem intimeren Bach-Bild, beachtet Verzierungen, läßt Koloraturen - "ein Wohlgefallen" - in schnellem Tempo glänzen, sorgfältig und wortgebunden artikulieren, im Choral mit einer gewissen manierierten Eigenmächtigkeit.Die Intonationsreinheit aller Stimmgruppen sucht ihresgleichen und wird speziell durchsichtig, wenn der melodisch gar nicht so einfache Engelsgruß "Fürchtet euch nicht" von einem kleinen Knabensolisten gesungen wird.Stilkundig auch die erwachsenen Solisten, voran die Altistin Annette Markert und der Bassist Klaus Mertens, die in den Dakapos ihrer Arien variierend vom langweiligen Wiederholen Abstand nehmen.Denkt noch jemand daran, daß "Schlafe mein Liebster", das berühmte von Bach umgearbeitete Wiegenlied, in der Kantate "Herkules auf dem Scheidewege" der Wollust gehört, allerdings ohne das weihnachtliche Oboenkolorit? Als Evangelist, anfangs nicht ganz auf der Höhe, verabschiedet sich Christoph Prégardien anrührend mit den Worten, die Maria "in ihrem Herzen" bewegte.Das Thomanergastspiel im Großen Saal des Schauspielhauses, bis zum letzten Stehplatz ausverkauft, ist ein Abonnementkonzert des Berliner Sinfonie-Orchesters, das besonders mit seinen Bläsersolisten imponiert.

Im Vergleich mit dem Instrument Knabenchor hat tags darauf die Berliner Singakademie, eine Neugründung der DDR, die gleichwohl der Tradition der alten "Singe-Academie" folgt, keinen leichten Stand.Die reiferen Stimmen des gemischten Chores liefern breiteren Klang.Dennoch entwickelt Achim Zimmermann aus dem Rhythmischen ein lebendiges Bild der Partitur, so daß der anfängliche Al-fresco-Eindruck schwindet.Vielleicht ist der philharmonische Kammermusiksaal der Fülle des musizierenden Aufgebots wenig günstig.Eine Reihe der Chorherren muß in den hinteren Block C ausweichen, weil das Podium die Mitwirkenden nicht faßt.Als Klangkörper erreicht die Kammersymphonie Berlin noch keine Geschlossenheit wie das sensible BSO.

Am schönsten trifft alles in den Chorälen zusammen."Du Hirtenvolk, erschrecke nicht" - der Choral Nr.12 ist ein Höhepunkt, wie Zimmermann ihn wortmächtig und dynamisch durchgestaltet.Den Kantaten 1 bis 3 fügt er die 6.an, um dem trompetenhellen Sopran Ute Selbigs auch eine Arie zu gönnen.Die von der Komposition begünstigte Altistin Carolin Masur singt vorsichtiger im Ansatz als ihre männlichen Kollegen: mit aller intelligenten Beweglichkeit der Bassist Sebastian Bluth und Marcus Ullmann als Evangelist mit jugendlichem Pathos und in der "Frohe Hirten"-Arie mit unerhörter Brillanz, ehemaliger Kruzianer wie der Dirigent Achim Zimmermann.

Bach allerorten

Es gibt in diesem Jahr noch mindestens 12 Aufführungen des Weihnachtsoratoriums von Bach: 12.12., 18 Uhr, von der Kantorei der Auen-Kirche in der Wilmersdorfer Auen-Kirche Kantaten 1 bis 3; 12.12., 18 Uhr, von der Lukas-Kantorei in der Steglitzer Lukas-Kirche Kantaten 1 und 4 nebst Magnificat; 12.12., 19 Uhr, und 13.12., 16 Uhr, von der Marienkantorei in der Marienkirche in Mitte Kantaten 1, 2, 5 und 6; 12.12., 17 Uhr, sowie 13.12., 16 und 20 Uhr, von der Domkantorei im Berliner Dom Kantaten 1 bis 3; 13.12., 18 Uhr, von der Friedenauer Kantorei in der Kirche Zum Guten Hirten Kantaten 1 bis 3; 19.12., 16:30 Uhr, vom Konzertchor der Staatsoper in der Gethsemanekirche Kantaten 1 bis 3; 19.12., 18 Uhr, vom Staats- und Domchor im Berliner Dom Kantaten 1, 2 und 3 bis 5; 20.12., 15:30 Uhr, von der Sing-Akademie zu Berlin in der Philharmonie Kantaten 1 bis 3, 5 und 6; 20.12., 16 Uhr, von der Camerata vocale im Kammermusiksaal der Philharmonie Kantaten 1 bis 3. S.M.

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