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Kultur: Du musst die Laufrichtung ändern Die Fußballer-Doku „Tom Meets Zizou“

Seit Philipp Lahm, Per Mertesacker, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski das Rückgrat der deutschen Nationalmannschaft bilden, seit jährlich neue Ausnahmetalente wie Manuel Neuer, Mesut Özil und Thomas Müller hinzukommen und die Jugendauswahlteams international für Aufsehen sorgen, ist fast in Vergessenheit geraten, dass sich vor nicht allzu langer Zeit der deutsche Nachwuchsfußball in einer schweren Krise befand. Die letzten Spieler, die in der Nationalmannschaft den Sprung vom Talent zum Leistungsträger geschafft hatten, waren Torsten Frings und Michael Ballack.

Seit Philipp Lahm, Per Mertesacker, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski das Rückgrat der deutschen Nationalmannschaft bilden, seit jährlich neue Ausnahmetalente wie Manuel Neuer, Mesut Özil und Thomas Müller hinzukommen und die Jugendauswahlteams international für Aufsehen sorgen, ist fast in Vergessenheit geraten, dass sich vor nicht allzu langer Zeit der deutsche Nachwuchsfußball in einer schweren Krise befand. Die letzten Spieler, die in der Nationalmannschaft den Sprung vom Talent zum Leistungsträger geschafft hatten, waren Torsten Frings und Michael Ballack. Nach ihnen kam lange nichts, und wer immer zwischen 2000 und 2004 ein paar gute Ligaspiele ablieferte, wurde zur Zukunft des deutschen Fußballs erklärt. Sebastian Deisler, der an den Erwartungen zerbrach, ist der bekannteste Vertreter dieser verlorenen Generation. Und Thomas Broich ihr interessantester.

„Wie muss man sein, wenn man einHoffnungsträger ist?“, fragt Johannes B. Kerner im Sportstudio, und der junge Broich, damals bei Borussia Mönchengladbach, bekennt freimütig, auf diese Rolle „keinen Bock“ zu haben. Eine andere Rolle, die ihm die Medien antragen, nimmt er jedoch sofort an. Broich spielt Gitarre und Klavier, liest Dostojewski und Hemingway, spricht über Ästhetik und Philosophie. Und weil er in seinem Mercedes-Oldtimer Carl Orff hört, wird er von seinen Mitspielern „Mozart“ genannt. Er schwärmt von „poetischen Pässen“ und veröffentlicht einen „Aufruf zur Fußballkunst“. Und hebt erst mal ab.

Filmemacher Aljoscha Pause, der Broich acht Jahre lang mit der Kamera begleitet hat, verfolgt dessen Entwicklung mit. Erst trifft das Ausnahmetalent auf ein Umfeld, das nach Ausnahmetalenten giert. Dann lässt der so hochveranlagte wie eitle Jungprofi sich von den Medien allzu bereitwillig in eine Schublade stecken. Und begreift zu spät, dass diese Schublade ein Fluch ist.

„Tom Meets Zizou“ ist aus dieser Langzeitbeobachtung hervorgegangen – und Broich erweist sich darin als bemerkenswerter Interviewpartner. Er entwickelt ein Vertrauensverhältnis zu Pause und spricht in seltener Offenheit über sein Innenleben und seinen Alltag als Fußballprofi. Vor allem aber reflektiert er auf außergewöhnlich intelligente Weise ständig seine Rolle im medialen und gesellschaftlichen Kontext. Wenn er erzählt, wie ihm die Leichtigkeit verloren geht, er sich immer weiter isoliert und schließlich für die Fußballwelt nur noch Verachtung übrig hat, dann schwingen die Fälle Deisler und auch Robert Enke mit.

Anders aber als deren Karrieren hat „Tom Meets Zizou“ ein Happy End. Broich ändert die Laufrichtung rechtzeitig, er wechselt in die australische A-League, wo niemand seine Vergangenheit als Mozart kennt, und findet dort zu Spielfreude und gesunder Lebenseinstellung zurück. In den im letzten Jahr entstandenen Gesprächen wirkt Broich ausgeglichen, ja glücklich. Im vergangenen März gewann er mit Brisbane Roar die australische Meisterschaft – später Durchbruch für einen Spieler der verlorenen Generation. David Assmann

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