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Kultur: Duft der Bücher

Ein Filmporträt über den Verleger Klaus Wagenbach

Das Herz sitzt links. Dieses biologische Faktum hört man viel lieber aus dem Mund des großen Berliner Kleinverlegers Klaus Wagenbach als aus dem eines Saarbrückener Provinz-Napoleons. Der junger Verlagsgründer wurde 1964 gefragt, ob er Kommunist sei. Lakonische Antwort: „Nein.“ Ob er Sozialist sei? „Ja.“ Marxist? (Zug an der Zigarette) – „Ja“. Vierzig Jahre später bringt Wagenbach in Margit Knapps und Arpad Bondys großartigem Filmporträt das Linkssitzen des Herzens auf den zeitlos postsozialistischen Begriff: „Ein Herz für diejenigen, die weniger Glück haben als wir“, sagt der in diesem Juli 75 gewordene, glückliche Verleger, der stets rote Söckchen trägt.

Die toskanische Verlegerklause erfüllt Wagenbach mit Berliner Quirligkeit und den Einzugsbereich seiner Wilmersdorfer Verlags-WG mit toskanischer Gelassenheit – in atmosphärischen Bildern eingefangen von den Kameramännern Jörg Jeshel und Ralf Klingelhöfer. Wagenbachs frühe Franz-Kafka-Passion, sein Rauswurf als Lektor bei S. Fischer 1964, weil er für den neuen Verlagseigentümer Georg von Holtzbrinck eben einen oder zwei Ticks „zu links gewesen“ sei, sein Engagement vor und während der Studentenrevolution, die Freundschaften mit Günter Grass und Erich Fried – der Film findet eine Form für die ebenso singuläre wie paradigmatische Biografie. Aus Büchern, die dem Verleger besonders an seinem linken Herz liegen, werden – wie im Kluge-TV – Aphorismen eingeblendet, während der Betrachter hautnah an die bibliophil gestalteten Wagenbachbände herangezoomt wird. Dass kein verbiestert-puritanisches Revoluzzertum, sondern vielmehr mitfühlende Genussfähigkeit die Kardinaltugend eines Achtundsechzigers vom Schlage Wagenbachs sein muss, ahnt man, wenn der Verleger mit geschlossenen Augen an druckfrischen Büchern schnuppert.

„Das Herz sitzt links. Klaus Wagenbach“: Filmstart am Sonntag im Kino Babylon Mitte, 16 Uhr. Anschließend Gespräch mit dem Verleger. Der Film ist auf DVD erhältlich: www.bondyberlin.de.

Marius Meller

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