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Sound der Verständigung. Das Babylon Orchestra bei einer Probe.

© promo

Passionskirche: Ein Abend mit dem Babylon Orchestra

Arabische Musik vermischt mit Jazz und Literatur: Das Babylon Orchestra versinnlicht in der Passionskirche die Erfahrung der Emigration.

Wer würde einem angetrunkenen Syrer glauben, wenn er sagte, er wünschte aus einer Berliner Kneipe nach Hause, nach Syrien zu laufen? Dieser Weg sei jetzt seine einzige Arbeit, liest ein syrischer Schriftsteller am Wochenende in der Passionskirche aus seinem Gedicht. Es ist eine denkwürdige Veranstaltung mit dem Titel „Lieder zwischen Euphrat und Elbe“, zu der das Babylon Orchestra eingeladen hat. Das 2016 in Berlin gegründete Ensemble unter Leitung des Komponisten Mischa Tangian verwebt Lesungen verschiedener Literaten aus dem arabischen Raum mit neuer arabisch inspirierter Musik. Das Konzert bildete den Auftakt einer vierteiligen Reihe, gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.

Einerseits erleben die Zuhörer eine einmalige Fortentwicklung arabisch inspirierter Musik, die mit jazzigen Elementen verschmilzt und von Klang- und Stimmimprovisationen übermalt wird. Andererseits erfüllt die Veranstaltung noch eine andere Mission: Nur Musik, Literatur und Lyrik, die Kunst im Allgemeinen, können die tiefgreifende Erfahrung der Emigration vermitteln, weil sie Emotionen transportieren. Das Babylon Orchestra nimmt sich dieser wichtigen Aufgabe der Völkerverständigung an.

Wehmütig und berührend

„Auch für uns ist die Fusion von Literatur und Musik Neuland“, sagt Tangian. „Der Klang der arabischen Sprache, deren Melodie und Rhythmus, aber auch den Inhalt der Prosa verwandeln insgesamt sieben verschiedene Komponisten in Musik.“ Dazu stehen Musiker und Literat in engem Austausch. So lässt der syrische Sänger Rabal Alkhodari ein improvisiertes arabischsprachiges Liebesgedicht erklingen, begleitet von arabischer Lautenmusik. Er verblüffte das Publikum mit seinem beachtlichen Stimmumfang und einer einzigartigen Klangakrobatik. Besonders gelungen ist an diesem Abend die Einbettung aller Gesänge in das Spiel des Orchesters, so auch bei dem Klangexperiment „Erbarme dich“ aus der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach mit arabischer Stimmimprovisation und jazzigen Einsprengseln.

Im zweiten Teil des Abends tritt die Dresdner Opernsängerin Gala El Hadidi auf die Bühne. Sie hat ägyptische Wurzeln, doch auf Arabisch singt sie am Freitag zum ersten Mal. Zwei Welten liegen in ihr: Ihre Stimme hat den Klang der Oper, aber Mimik und Gestik wirken orientalisch. Das Publikum ist berührt.

Die Arrangements versetzen die Zuhörer überwiegend in eine besinnliche, nachdenkliche, mitunter wehmütige Stimmung – passend zum Stoff des Abends. Die Schriftsteller aus dem Jemen und aus Syrien befassen sich mit den Erfahrungen in der Fremde, mit Heimat und Zugehörigkeit und natürlich mit der Liebe. Schade nur, dass die Werke für das Booklet nur ins Englische, nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Schließlich bringen die Worte der Literaten uns ihr Erleben nahe; dafür braucht es das maximale Verständnis.

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