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Kultur: Ein Anwalt im Pool

SCHREIBWAREN Steffen Richter über Schlafwandler und Oberschichtler Wer schläft, hat uns Robert Schneider in der Geschichte seines Johannes Elias Alder vorgesprochen, der kann nicht lieben. Arbeiten, wir ahnten es schon, kann er auch nicht.

SCHREIBWAREN

Steffen Richter über

Schlafwandler und Oberschichtler

Wer schläft, hat uns Robert Schneider in der Geschichte seines Johannes Elias Alder vorgesprochen, der kann nicht lieben. Arbeiten, wir ahnten es schon, kann er auch nicht. Abgesehen vielleicht von einem wie Saint- Pol-Roux. Der Surrealist plakatierte seine Schlafzimmertür mit: „Der Dichter arbeitet.“ Der Schlafforschung bleiben jedenfalls etliche Rätsel zu knacken. Nun führt ein Roman der Disziplin neue Probanden zu.

Die mit allen Wassern der österreichischen Sprachskepsis und -artistik gewaschene Kathrin Röggla hat eine Messe besucht. Und zwar eine, auf der sich Menschen treffen, die man für die Geschäftsführer der Gegenwart halten muss: eine key account managerin, ein it-supporter oder ein senior associate. Mit Staunen lesen wir vom fall- back-szenario, der flash-animation und einer „traurigen handy-telefonistin“. Für Menschen, die auf solchen Messen ihre Produkte präsentieren, ist Schlafen „nicht schick“. Ihren gespenstischen Beitrag zur modernen Literatur der Arbeitswelt nennt Kathrin Röggla „wir schlafen nicht“ (S. Fischer). Heute stellt sie ihn im Brecht-Haus vor (20 Uhr).

Eine äußerst ausgeschlafene Dame ist Inspectora Petra Delicado – vierzig Jahre alt, zweifach geschieden und ziemlich tough. Als die Angestellte der Policía Nacional in Barcelona aus dem Urlaub zurückkehrt, könnte sie mit Wolf Haas ausrufen: „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ Der Papst nämlich hat sich angekündigt, zwei Familienclans führen Krieg, und dann schwimmt auch noch die Leiche eines Anwalts im Pool. Mit Alicia Giménez Bartlett, ihrer Autorin, ist die Gleichberechtigung in die Männer-Domäne des spanischen Krimis eingezogen, der – wie in diesem Fall – ein Gesellschaftsroman ist und einiges über die satte Oberschicht von Barcelona erzählt. Am 30.4. liest Alicia Giménez Bartlett gemeinsam mit der Schauspielerin Anna Thalbach im Instituto Cervantes (19 Uhr 30) aus „Piranhas im Paradies“ (Lübbe).

Eine andere Frau, die ganz sicher ihr Leben nicht verschlafen hat, ist die Schauspielerin Angelica Domröse . Sie war die Paula in der fast mythischen „Legende von Paul und Paula“ – nach einem Buch von Ulrich Plenzdorf. Auch war sie Effi Briest in der ostdeutschen Fontane-Verfilmung. Vor allem aber liest sich ihre Autobiografie „Ich fang mich selber ein“ (Lübbe) wie ein Roman. „Pupperl“, hat die Weigel ihr beim Vorsprechen am Berliner Ensemble empfohlen, „nimm doch mal die Haare aus dem Gesicht!“ Später hat sie mit Heiner Müller an der Volksbühne gearbeitet. Mit Jurek Becker den Protestbrief gegen die Biermann-Ausbürgerung diskutiert. Und selbst Stefan Heym konnte ihr nichts mehr entgegenhalten, als sie die DDR schließlich auch verlassen wollte. Am 30.4. kommt sie ins Theater-Foyer (Am Festungsgraben 1, 20 Uhr).

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