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Kultur: Ein Drittel des Budgets ging in die Special Effects

"Otto, der Katastrofenfilm" mag, streng cineastisch betrachtet, eine Katastrophe sein. Tricktechnisch hingegen verkörpert das 18 Millionen Mark teure neueste, fünfte Otto-Opus das, was man so gerne state of the art nennt - den Stand der Technik, zur Kunst geadelt.

"Otto, der Katastrofenfilm" mag, streng cineastisch betrachtet, eine Katastrophe sein. Tricktechnisch hingegen verkörpert das 18 Millionen Mark teure neueste, fünfte Otto-Opus das, was man so gerne state of the art nennt - den Stand der Technik, zur Kunst geadelt. Hierfür braucht es Geld: Rund 5,5 Millionen Mark, mithin ein knappes Drittel des Gesamtbudgets, sind nach Angaben des Berliner Produzenten Horst Wendlandt in die digitale Herstellung und Veredelung der Bilder geflossen - für deutsche Verhältnisse eine rekordverdächtige Summe, mit der andere Regisseure schon mal drei komplette Spielfilme bestreiten.

Und es braucht hierfür eine gute Spezial-Effekt-Schmiede: In Deutschland hat sich die High-Tech-Firma "Das Werk" binnen weniger Jahre zur ersten Adresse entwickelt. 1991 in Frankfurt am Main als Spezialanbieter für die Postproduktion von Werbefilmen gegründet, gilt das Unternehmen inzwischen als kontinentaleuropäischer Marktführer bei der digitalen Bearbeitung von Spielfilmen, Musikvideos und Reklamespots. Für den "Otto"-Film etwa hat "Das Werk" mehr als 100 Einstellungen mit einer Laufzeit von knapp 15 Minuten digital bearbeitet. Zum Beispiel die Central-Park-Szene eingangs, in der Otto neugierigen Touristen gleich seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Gedreht wurde sie nicht etwa in New York, sondern im Berliner Tiergarten; den Himmel über den Baumreihen füllte erst der Computer mit Wolkenkratzern.

Man sieht nur, was man weiß? Das mögen Kulturkritiker predigen. Das oberste ästhetisches Gebot aller Digitalisten hingegen lautet: Selbst wer weiß, wie etwas gemacht wurde - sehen soll er es ganz bestimmt nicht. Dass der Hafen, von dem aus Otto mit dem riesigen Ozeandampfer "Queen Henry" in die weite Welt ausläuft, tatsächlich der Westhafen ist - darauf darf nur kommen, wer es irgendwo, hier zum Beispiel, gelesen hat. Neben dem eingescannten Schiffsmodell verdeckte eine künstliche Meeresoberfläche störende Hafenaufbauten, während virtuelle Ladekräne vor überflüssige Häuser gesetzt wurden. "Wenn die Kamera an einem Kran über diese Szene aufsteigt, ist das Ganze eine Kombination aus Retuschen, Modellaufnahmen, Digitalmaterial und Motion Control-Bildern," erläutert Visual-Effect-Supervisor Frank Wegerhoff.

Für "Das Werk", das bereits deutschen Filmen wie "Lola rennt" und "Comedian Harmonists" sowie internationalen Großproduktionen ("Die Legende des Ozeanpianisten") den letzten Digitalschliff gab, ist "Otto" der bislang effektreichste Film der Firmengeschichte. Die digitalen Zauberkünstler animierten Schafe zum Chorgesang, pflanzten Ottos Kopf virtuell auf den Körper eines Babys und ließen - wie im Hollywood-Katastrophenfilm "Speed 2" - den Luxusliner aus dem Ruder laufen und einen Küstenstreifen umpflügen. Ließ Roland Emmerich in "Independence Day" das Weiße Haus per Energiestoß zerstäuben, so hebt Ottos Digitaldampfer die Freiheitsstatue vom Sockel. Über die Tricks zeigte sich sogar Produzent Wendlandt erstaunt: "Die Firma kann sich mit den Amerikanern messen."

Die "Werker" - an sechs Standorten in Deutschland beschäftigt man mittlerweile 230 Mitarbeiter - beherrschen selbst subtilste Manipulationen. So unterstützten die Experten auch Wim Wenders bei seinem Berlinale-Eröffnungsfilm "The Million Dollar Hotel", mit dessen Produktionsfirma Road Movies sie schon im vergangenen Mai eine Fusion eingegangen waren. Ziel bei "The Million Dollar Hotel" war, die Authentizität der Bilder zu verstärken und zugleich die poetischsen Visionen des Regisseurs zu realisieren. So sorgte die Münchner Tricktruppe dafür, dass die defekte Leuchtreklame des Hotels aus den dreißiger Jahren in magischem Licht erstrahlte. Zur Kunst des eleganten Retuschierens gehörte auch die digitale Entfernung von Sicherheitsleinen beim Sprung des Helden vom Hoteldach oder das nachträgliche Einsetzen von virtuell geschaffenen Objekten.

Auch Anschlussfehler, die vom mitunter hämischen Publikum geschätzten Pannen beim Dreh, werden so selbst für das detektivisch geschulte Zuschauerauge unsichtbar. "Einmal haben wir für Wenders ein vergessenes Paar Schuhe digital in eine Szene eingefügt," erinnert sich "Werk"-Sprecher Wolfgang Borgfeld. Für den Perfektionisten Wenders korrigierten die Münchner Spezialisten auch die Farbwerte einiger Szenen, die an verschiedenen Tagen gedreht wurden.

"Technisch haben wir mit den renommierten Mitbewerbern in London gleichgezogen," resümiert Borgfeld. "Wegen ihrer Erfahrungen bei Spitzenprojekten haben sie noch einen kreativen Vorsprung, aber auch der wird kleiner." Belege dafür sind prall gefüllte Auftragsbücher und prominente Kunden. Die "Werker" arbeiten derzeit unter anderem an Leslie Nielsens "2001 - A Space Travesty" und an Tim Tykwers "Der Krieger und die Kaiserin". Am Rande: Tykwers neuer Film wird in der Branche als Kandidat für das Festival in Cannes gehandelt.

Reinhard Kleber

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