zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Plädoyer für eine aktive Schutzpolitik für die deutsche Sprache (Gastkommentar)

Schröders Green Card zeigt wie in einem Brennglas, wie wenig wir unserer Sprache noch zutrauen! Ein neuer Sachverhalt erscheint in der öffentlichen Diskussion und braucht einen Namen.

Schröders Green Card zeigt wie in einem Brennglas, wie wenig wir unserer Sprache noch zutrauen! Ein neuer Sachverhalt erscheint in der öffentlichen Diskussion und braucht einen Namen. Wie liefe ein solcher Vorgang in Amerika ab? Aus vorhandenen Wortfeldern würde umgehend ein neues Wort gebildet, denn das Amerikanische ist eine lebendige Sprache. Ihr traut man Kreativität, Modernität und Internationalität zu.

Nicht so in Deutschland! Der deutsche Importeur der Green Card hat gar nicht erst nach einem treffenden deutschen Begriff für die Einladung der ausländischen Spezialisten gesucht, sondern sofort mit einem amerikanischen Fertigwort das gesellschaftspolitische Feld besetzt. Hätte das mit einem deutschen Wort nicht auch funktioniert? Nein, weil die Deutschen daran gewöhnt worden sind, dass die neuen Dinge aus Amerika kommen und amerikanische Namen tragen.

Wir erleben das in Wirtschaft, Technik, Medien, Wissenschaft und Kunst. Mozart und Beethoven werden uns bei "Klassik Radio" als classic dreams und classic romances serviert. Das große Kinderfest auf dem Pariser Platz heißt Days for Kids und die Ausstellung zur Stadtgeschichte The Story of Berlin. Unsere Landessprache wird achtlos beiseite geschoben, weil manche Kreise ihr die Bewältigung der Zukunft nicht zutrauen. Diese verächtliche Denkweise schädigt die Sprache mehr als noch so viele nicht assimilierte fremde Wörter und treibt sie in die Stagnation.

Wir erleben täglich, wie vor allem die Werbung konsequent daran arbeitet, diese Entwicklung den Bürgern aufzuzwingen. Sie behandelt längst alle Sprachen außer Englisch als störenden Kostenfaktor. Werte wie die kulturelle Identität einer Sprachgemeinschaft, die gesamte Überlieferung in Wissenschaft und Literatur oder auch nur die sprachliche Selbstbestimmung der 90 Millionen Menschen deutscher Muttersprache haben in diesem Weltbild keinen Platz, denn außer Kosten und Rendite zählt nichts.

Einige unserer Führungseliten bereiten mit einer lemminghaften Art, den American way of life hier nachzuleben, einer beharrlichen Überwältigungsstrategie den Boden. Unaufgeregtes Selbstbewusstsein ohne aggressiven Beiklang gegenüber den Nachbarn hat noch immer keinen Platz in unserem Land, das an der furchtbaren Hypothek des Dritten Reichs noch lange tragen wird.

Das kollektive Verschweigen der Nachkriegszeit wurde abgelöst durch ein kollektives Versteckspiel. Wir Deutschen und unsere Sprache sind eigentlich gar nicht mehr da, denn wir stellen jeden Tag neu unsere kosmopolitische Gesinnung unter Beweis. Leider finden die Nachbarn uns aber als Musterknaben Amerikas herzlich lächerlich.

Der Nutzen der Weltsprache Englisch für die internationale Verständigung ist unbestritten. Wir haben aber das gemeinsame Europa nicht deshalb gegründet, damit wir die Sprachenvielfalt unserer Länder und den fruchtbaren kulturellen Wettbewerb komplett gegen den undifferenzierten Brei eines Basic Simple Englisch eintauschen, weder in der Wirtschaft, noch in den Medien oder der Wissenschaft.

Wir Bürger sind ja übrigens nie gefragt worden, ob wir hier im eigenen Land immer öfter in Englisch angesprochen werden wollen. Meinungsumfragen wie die von "Focus" im April 1999 zeigen zwar, dass sehr viele Bürger mit der um sich greifenden Anglomanie ihre Schwierigkeiten haben. Sie können aber darauf nicht mit Konsumboykott reagieren, sonst müssten sie ein karges Leben wie Robinson Crusoe führen. Kann diese Entwicklung, bei der Englisch zur Sprache für Führungseliten würde und Deutsch dem einfachen Volk bliebe, noch aufgehalten werden? Ja, aber nur, wenn wir dies als Problem unserer Demokratie annehmen!

Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz regelt längst, dass niemand wegen seiner Sprache benachteiligt werden darf. Beeindrucken wird das die Anglisierer nur, wenn die Bürger ihren Unwillen deutlich artikulieren. Der Bund, die Regierung und das Parlament sollten eine nationale Kontrolle über die Zukunft unserer Landessprache ausüben, wie es zum Beispiel in Frankreich üblich ist. Die Politik darf der Sprache als wichtigem Bindeglied unserer Demokratie den Schutz nicht versagen. Sprache ist eine kostbare Ressource, so wichtig wie die Luft zum Atmen.Der Autor ist Vorstandsmitglied der Berliner Gruppe des Vereins Deutsche Sprache.

Kurt Gawlitta

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false