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Handschriften-Verkauf: "Ein skandalöser Plan"

Der von der baden-württembergischen Landesregierung geplante Verkauf von mittelalterlichen Handschriften der Badischen Landesbibliothek löst inzwischen international Empörung aus.

Frankfurt/Main - Zahlreiche Wissenschaftler aus den USA und Großbritannien protestierten in einem Brief an die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gegen die Veräußerungsabsichten von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Sie sprachen von einem "skandalösen" Plan.

In dem Schreiben heißt es, die Handschriftensammlung repräsentiere in vielerlei Hinsicht einen "unvergleichlichen Nachweis und ein Repositorium von mehr als tausend Jahren europäischen Mönchstums und europäischer Geschichte". Mit einer Versteigerung werde eine der größten Sammlungen der Welt "in alle Winde verstreut und damit zerstört". Auch würde ein Verkauf "weltweit als deutliches Signal registriert werden, dass in Deutschland die Vergangenheit zum Verkauf steht - und das zu Schleuderpreisen".

Erlöse sollen in Stiftung fließen

In Baden-Württemberg ist im Rahmen von Verhandlungen zwischen der Landesregierung und dem Markgrafenhaus Baden angedacht, bis zu 3.500 Handschriften aus der Sammlung der Badischen Landesbibliothek zu veräußern. Der Wert wird auf rund 70 Millionen Euro geschätzt. Die Erlöse sollen in eine Stiftung fließen, mit der die Adelsfamilie die Sanierung und den Erhalt von Schloss Salem am Bodensee finanzieren will.

Der Protestbrief wurde von dem Kunsthistoriker Jeffrey F. Hamburger der Harvard University verfasst und von zahlreichen Kollegen anderer Einrichtungen wie der Yale University, der University of Chicago oder der Oxford University mit unterzeichnet.

Landesregierung in der Defensive

Die baden-württembergische Landesregierung verteidigte unterdessen den geplanten Verkauf der Handschriften. Der mit dem Markgrafenhaus Baden erzielte Vergleich über bislang ungeklärte Eigentumsverhältnisse sei "vernünftig", sagte Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) in Stuttgart. Kunstminister Peter Frankenberg (CDU) bekräftigte, die Bedeutung der Bibliothek für die Wissenschaft solle nicht geschädigt werden.

Stratthaus betonte, mit dem Vergleich würde eine seit 1919 schwelende Auseinandersetzung mit dem Adelshaus über ungeklärte Eigentumsverhältnisse "endgültig beigelegt". Das Adelshaus verzichte im Gegenzug auf weitere Kunstgegenstände, die ihm zumindest teilweise eigentlich zustünden. Diese würden "unwiederbringlich in Landesbesitz übergehen". Alternative wäre ein langwieriges Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang. Der Vergleich sei deshalb "gerechtfertigt".

Frankenberg zufolge sollen die für die badische Landesgeschichte bedeutenden Handschriften nicht verkauft werden. Ziel sei auch, die wissenschaftliche Nutzbarkeit der Bibliothek zu wahren. Eine konkrete Zahl, wie viele Handschriften veräußert werden sollen, nannte der Kunstminister nicht. Mit der Auswahl soll sich eine Projektgruppe befassen. (tso/ddp)

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