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Kultur: Ein ungekrönter König

Er ist Dichter und Denker, erfolgreicher Verlagschef und Geschichtenerzähler: Heute wird der Literaturliebhaber Michael Krüger 60

Grau ist er nicht, aber mit heute 60 doch längst schon eine Eminenz auf der deutschen und internationalen Literaturszene. Von keinem anderen Kollegen hatte beispielsweise Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld, wenn man mit ihm über das eigene Haus hinaus schaute, so voll neidlosem Respekt und freundlicher Neugier gesprochen – und durchaus auf den Rat des zwanzig Jahre Jüngeren gehört. Seit Unselds Tod ist Michael Krüger, Haupt und Seele des literarisch und ökonomisch erfolgreichen Münchner Carl Hanser Verlages, nun der einflussreichste belletristische Verleger im Lande.

Allerdings ein ungekrönter König. Denn obwohl er mittlerweile über die Häuser Hanser, Sanssouci, Zsolnay (in Wien) und Nagel & Kimche gebietet, ist Krüger anders als die meisten mittelständischen Verleger nicht Inhaber seiner Unternehmen. Aber schon zu seinen Hanserschen Lektors-Zeiten hat sich der intellektuelle Regent und selbsttätige Schriftsteller gerne kokett bescheiden als „Verlagsangestellter“ bezeichnet.

Ein Bücherwahnsinniger und hochgebildeter Autodidakt, wundersam belesen in allen europäischen und zumindest westlichen Kultursprache, dabei fern aller stubengelehrten Schrulligkeit, vielmehr: eine weltläufige Mischung aus gebürtigem Sachsen-Anhaltiner, früh sozialisiertem Berliner und in allen wichtigen Bars und Biergärten erfahrenem Münchner – so treibt er, vom Lehrling zum Lektor zum Chef, den Hanser Verlags (seine lebenslängliche Berufsheimat) seit 35 Jahren mit einem geistigen Vitalismus an, den selbst ironischster Fatalismus oder Anfälle hochkultivierter Hypochondrie niemals zu bremsen vermögen. Und weil der von Freunden und Autoren Michel genannte Michael Krüger ein gleichermaßen phänomenaler Tag- und Nachtmensch ist, schafft er es neben dem Lesen von Manuskripten, Büchern, Bilanzen, Weltpressen, Verträgen und täglich ungeheuer vielen Briefen (plus Mailpest), neben der Edition der Literaturzeitschrift „Akzente“ sowie allem sonstigen für ein normales Arbeitsleben ausreichendem Verlagsmanagement in jeweils drei Wochen Urlaub auch noch einen Roman, eine Novelle oder einen seiner schönen, das Gedankenlyrische und die Sinnesempfindung mit stilistischer Grazie verspinnenden Gedichtbände zu schreiben. Die erscheinen dann dezenterweise nicht im eigenen Haus, sondern (früher) bei Residenz und (jetzt) bei Suhrkamp: wie soeben „Kurz vor dem Gewitter“. Darin widmet er ein großes, kluges Gedicht dem alten Freund Hans Magnus Enzensberger (neben Botho Strauß einer seiner anregendsten Vertrauten), mit einem Vorspruch von Jean Paul: „Viele werden von der Gelehrsamkeit umschlungen wie von einem austrocknenden Efeu, er aber wie von einer Traubenrebe.“

Dieser Satz, der das Dionysische ganz zart ans Apollinische schmiegt, kann auch für Michael Krüger gelten, der heute 60 wird. Salut!

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