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Kultur: Ein Völkchen macht sich auf den Weg

Schweizer können zwar keine Elfmeter schießen, dafür sind sie mitunter furchteinflößend polyglott. Trotzdem ist, was sie schreiben, ins Hintertreffen geraten.

Schweizer können zwar keine Elfmeter schießen, dafür sind sie mitunter furchteinflößend polyglott. Trotzdem ist, was sie schreiben, ins Hintertreffen geraten. Früher wurde deutschsprachige Literatur in A- (Österreich), B- (Bundesrepublik), C- (Schweiz) sowie D- (DDR)Literatur unterteilt. Die A-Liga (mit Jelinek, Kehlmann oder Schuh) läuft der C-Liga im Moment klar den Rang ab.

Allerdings weiß man nicht immer genau, welche Autoren eigentlich aus der Schweiz stammen, weil sich Einwanderung und Auswanderung aufs schönste überlagern. Die schweizerische Literatur scheint ihren Ort zu suchen. Wie etwa bei Christina Viragh , die in Ungarn geboren wurde, in der Schweiz aufwuchs und heute in Rom lebt. Vielleicht verfolgt sie deshalb mit „Im April“ (Ammann) die Geschichte eines einzigen Ortes im Laufe von sechs Jahrhunderten. Auch Michel Mettler zeigt sich in „Die Spange“ (Suhrkamp) von einer kuriosen Örtlichkeit fasziniert: der Mundhöhle des Anton Windl, in der Reste einer 5000 Jahre alten Siedlungsanlage gefunden werden. Vor allem aber wird in ihr eine Krankheit namens „Dysfabulie“ diagnostiziert, die das zusammenhängende Erzählen verhindert und hoffentlich kein generelles schweizerisches Leiden ist. Auch in der Prosa des griechischstämmigen Schweizers Perikles Monioudis haben Orte wie Thessaloniki, Berlin und Zürich stets eine wichtige Rolle gespielt. Und der in Lausanne geborene Yves Rosset , seit Jahren in Berlin, hat für „Les Oasis de Transit“ sogar ein Konzept ausgeklügelt, das Kurzreisen von mittellangen Besuchen bei Freunden und langen Urlaubsreisen unterscheidet. Manchmal treffen sich die verstreuten Schweizer. Zum Beispiel heute (19 Uhr), wenn das Literarische Colloquium (Am Sandwerder 5, Zehlendorf) sich „Mit der Schweiz auf Reisen“ begibt.

Allein, die Schweiz droht hinter den Reisebewegungen ihrer Schriftsteller zu verschwinden. Ganz wie das Vokabular, das Bodo Mrozek in seinem unterhaltsamen „Lexikon der bedrohten Wörter“ (Rowohlt) versammelt hat. Auf Ausdrücke wie Beziehungskiste, Blümchenkaffee oder Bückware wird man leicht verzichten. Andere wie Hagestolz, hoffärtig oder Hundsfott gehören unbedingt unter Artenschutz gestellt. Dazu kann beitragen, wer am 19. Juli (20 Uhr 30) ins Kino der Kulturbrauerei kommt (Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg), wo Tagesspiegel-Kolumnist Mrozek sein Lexikon vorstellt. An der Rettungsaktion kann man sich allerdings auch online unter www.bedrohte-woerter.de beteiligen.

Dass das Internet nicht automatisch aufgeweckte Zeitgenossenschaft signalisiert, musste gerade das mit Brimborium gestartete bundesweite literaturportal.de aus Marbach erfahren. Als unoriginell und unnütz wurden Konzept und Ausführung gescholten. Nun geht mit literaturport.de ein regionaler „Literaturhafen für Berlin und Brandenburg“ ans Netz. Den Kern sollen Informationen zu Autoren, Institutionen, Fördermöglichkeiten und Veranstaltungen bilden. Genaueres aber erfährt man bei der Release-Party am 21. Juli (19 Uhr) im Literarischen Colloquium .

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