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Kultur: Ein Zerbrechlicher, zäh und zart Hermann Lause – zum Tod des Schauspielers

Er war von Anfang an ein Unverwechselbarer. Schon früh etwas ältlich wirkend und später als reifer Mann eher ein knabenhaft Alter (doch nie der schwankhafte „alte Knabe“), spielte Hermann Lause immer ein wenig zwischen den Zeiten.

Er war von Anfang an ein Unverwechselbarer. Schon früh etwas ältlich wirkend und später als reifer Mann eher ein knabenhaft Alter (doch nie der schwankhafte „alte Knabe“), spielte Hermann Lause immer ein wenig zwischen den Zeiten. Zwischen den Typen. Dieser spillrig halb kahle, aschblond hoch gewachsene Akteur hatte die Figur und Kontur zum Spökenkieker, zum Irrlicht und Nordlicht – das lag auch an der hohen, leicht nöligen, norddeutsch akzentuierten Stimme des 1939 im Emsland geborenen Spielers. Ursprünglich hatte er Archäologie und Philosophie studiert, und das Geistige, Abgründige, das Zerscherbte und Verschüttete einer Figur zog ihn dann statt unter der Erde und in den Büchern immer wieder auf der Bühne an.

Hermann Lause war, wie sein Freund Ulrich Wildgruber, einer der einzelgängerischen Lieblingsschauspieler des Regisseurs Peter Zadek. Mit gläserner Vernunft und grauer Schwermut geschlagen und dem Talent, die eine zum Klirren, die andere zum Glühen (noch in der Asche) zu bringen. Dazu auch ein hintersinniger Schalk, also allemal: ein großer Komödiant, ein trauernder Clown. So war er ganz jung noch in Bochum Zadeks Alter Gobbo 1972 im „Kaufmann von Venedig“ und danach ein sonderbar verknöcherter König Claudius im „Hamlet“ und ein frühvergreister, ganz nach innen machtversponnener Macbeth bei Luc Bondy 1982 in Köln.

Einmal, als ihm vor 20 Jahren im Hamburger Schauspielhaus die intellektuell- erotische Hauptfigur in Robert Musils „Schwärmern“ nicht wirklich gelingen wollte, da sah ich ihn (aus der dritten Reihe) in der Premiere ein Weinglas zerbrechen und die scharfen Splitter in der blutigen Hand pressen – als wollte er den Schmerz des Misslingens ganz real erspüren, erzwingen. So war Hermann Lause ein sich nie schonender, seine Rollen unerbitterlich ergründender Spieler. Der freilich auch wunderbar zart und fragil, ja: poetisch sein konnte. Das sah man in Berlin, als er in Sobol-Zadeks „Ghetto“ den jüdischen Bauchredner als lebende Puppe spielte oder als er 1996 in Zadeks grandioser Wiener „Kirschgarten“-Inszenierung , die auch beim Berliner Theatertreffen als Aufführung des Jahres gefeiert wurde, den am Ende vergessenen, als letzte Seele des Hauses verlöschenden Diener Firs zu einem Monument des Zerbrechens machte. Wie ein Körper aus fester Luft. Im Fernsehen und Film setzte er dazu markante Randzeichen, ob in Dietls „Schtonk“ oder als Barschel-Kumpan in Breloers „Staatskanzlei“. Jetzt ist er mit 66 Jahren in Hamburg an Krebs gestorben.

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