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Kultur: Eine schrecklich nette Familie „Die Glasmenagerie“ im Deutschen Theater

Die Wände sind entfernt. Vom dritten Stock des bescheidenen Mietshauses in St.

Die Wände sind entfernt. Vom dritten Stock des bescheidenen Mietshauses in St.Louis blieb keine Spur. Familie Wingfield, dort untergebracht von Tennessee Williams in seinem ersten Erfolgsstück „Die Glasmenagerie“ (Uraufführung 1944, Chicago), ist für die Aufführung im Werkraum Kammerspiele des Deutschen Theaters umgezogen. Irgendein kleines Häuschen hinter grüner Wiese vor blauschimmernden Bergen scheint das neue Zuhause zu sein. Damit wandelt sich ihre Geschichte. Keine Schwere mehr, keine Verstrickung in seelische Ängste, nur noch ferne Erinnerung an bessere Zeiten.

Regisseurin Bettina Bruinier löst die epischen Strukturen und die geschichtlichen Dimensionen des Dramas auf. Sie macht es leicht, federleicht: Tatsächlich taumeln Schneeflocken auf den Bretterboden der gestaffelten Podeste (Bühne Claudia Rohner). Kurze Szenen, nichts Gewichtiges, nur eine kleine, freundliche Familiengeschichte, mit fast anmutig beherrschten Nöten, Ängsten, Konflikten. Nette Leute: Tapfer mühen sie sich um ihr Leben und machen kein Aufhebens davon, dass sie es nicht schaffen werden.

Dafür genügt ein Bruchteil des Textes, der plötzlich ganz schlicht scheint, herausgeholt aus der Düsternis. Sonne ist da, vor einer Videowand, die die Postkarten des entwichenen Wingfield-Vaters werbebunt einliefert. Bei Williams lässt das Familienoberhaupt nach der Flucht nie wieder von sich hören, aber die Härte des Daseins kommt bei Bruinier kaum noch vor. Auch Tom, der große Sohn, geht am Ende nicht in die weite Welt. Mit Mutter und Schwester findet er sich zum finalen heimeligen Familienbild zusammen – irgendwie geht es schon weiter. Die Glastierchen der Schwester, Verkörperung verklemmter Sehnsüchte, fangen allerdings an zu schmelzen. Endstation Tauwetter.

Williams’ „Glasmenagerie“ ist eine Geschichte vom sinnlos verrinnenden Leben, von der Fesselung an Träume, die dem Alltag nicht standhalten. Seine Liebe galt – ein deutlich autobiografischer Bezug – der leicht behinderten Laura mit ihrer um Schutz flehenden Zurückgezogenheit ins poetische Reich der Glastierchen und der Musik von zerkratzten Schallplatten. Lotte Ohma als Laura ist zunächst eher trotziger Backfisch als umschattet Verlorene: eine Prinzessin auf dem Eis, glücklich dahingleitend mit dem vermeintlich Geliebten. Jutta Wachowiak als Mutter Amanda zeigt das trotzige Leugnen mieser Wirklichkeit mit drahtigem Frohsinn und fürsorglichem Erziehungszorn: eine Königin im oft amüsant beherrschten Familienreich. Und die Männer, Stefan Kaminski als Tom, Achim Schelhas als Jim, zeigen die leicht gebremste Munterkeit junger Leute, die sich abgefunden haben. Nichts wirklich Böses lässt die entgrenzte, durch Liedeinlagen einfühlsam bereicherte Inszenierung zu. Dem unerfüllten, aber resolut behaupteten Glücksanspruch ist eine Prise Ironie beigemischt.

wieder am 2., 8. und 18. März, 20 Uhr

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