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Kultur: Eine Ziege namens Yoko

Es ist schon eine ganze Weile her, da versuchte man sich vom Kunstwerk zu verabschieden, suchte den direkten Kontakt mit dem Publikum und wendete sich gegen alles, was Form, Werk oder Ware wäre oder jemals sein könnte. Die Jahre haben gezeigt, wie die überhöhten Ansprüche dieser Revolte in die kultivierte Langeweile vieler anspruchsvoller Kunstübungen übergegangen ist.

Es ist schon eine ganze Weile her, da versuchte man sich vom Kunstwerk zu verabschieden, suchte den direkten Kontakt mit dem Publikum und wendete sich gegen alles, was Form, Werk oder Ware wäre oder jemals sein könnte. Die Jahre haben gezeigt, wie die überhöhten Ansprüche dieser Revolte in die kultivierte Langeweile vieler anspruchsvoller Kunstübungen übergegangen ist. Daher verwundert es um so mehr, wenn man in Museen oder Kunstmagazinen vereinzelt auf die Fossilien körperbereiter Kunstformen in Form von Videos oder Dokumentationen stößt - und vereinzelt sogar auf Künstler, die den Joystick gegen das Parkett eintauschen.

Vielleicht ein Grund mehr, das in die Jahre gekommene Medium noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht aber auch ein Grund weniger. Denn die Performances, die man unter dem Titel "A little bit of History repeated" an drei abendfüllenden Soireen in der großen Halle der Kunst-Werke in der Auguststraße aufführte, bestätigten eher alte Vorurteile, als dass sie die neuerliche Aktualität eines alten Mediums unter Beweis gestellt hätten.

Das lag zunächst eher am Konzept der Veranstaltung als an den Performances selbst - allesamt historische Kunstaktionen, durchgeführt in den sechziger und siebziger Jahren von legendären Performance-Künstlern wie Vito Acconci, John Baldessari oder Yoko Ono. Deren einst auf strikte Einmaligkeit ausgelegte Spektakel sollten wie ein historisches elisabethanisches Theaterstück von den jungen Künstlern wieder aufgeführt werden. Dabei hat die jüngere Generation per Video das gesehen, was nur den Augen des Augenblicks vorbehalten sein sollte. Sie hat gesehen, wie John Baldessari 1971 mit den Armen herumfuchtelte und deklarierte "I am making Art". Oder wie sich Yoko Ono 1964 ein Kleid schneiderte, das sie dann von den Besuchern zerschneiden ließ. So war das damals, in den rohen und aufrührerischen Jahren, deren Aura man per Performance in die Kunsthalle zu locken versuchte.

Doch weil Kunst sich noch nicht so anführungslos zitieren lässt wie Mode, scheiterte der Versuch des Transfers und man blieb an den Rockzipfeln des Legendären hängen. Das lag nicht nur an der ungeklärten Frage, welchen Erkenntnisgewinn diese Wiederholung des Einmaligen zu bringen habe. Sondern es lag auch an den ausgewählten Kunstübungen. So kam Yoko Ono in Ziegenform auf die Bühne. Und John Baldessari wurde von einem schlaksigen Beau gegeben, der zwar ebenso mit den Armen fuchtelte wie einst der Künstler selbst, aber vor allem die 20 Tanzstile des 20. Jahrhunderts als Kunst deklarierte.

Das alles war so erheiternd und kurios wie alles, was man heute in den Theatern der Spaßgesellschaft erleben kann. Doch dass gerade in der Rekonstruktion von Klassikern, die immer schon Kunst sind, die entscheidende Grenzerfahrung der Performance einfach wegfiel, interessierte an diesem Abend kaum jemand. So endete das Performance-Wochenende in den Kunst-Werken exakt dort, wo die Kunst der Performance geendet ist: im seriösen Applaus eines kultivierten Theaterabends.

Knut Ebeling

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