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Eisbombe: Johann Kresnik feiert Fürst Pückler in Cottbus

Weil man in Cottbus darauf hofft, dass dieser Pückler auch heute noch die Lausitz zu touristischer Blüte führen kann, wird sein 225. Geburtstag jetzt im Staatstheater gefeiert.

Der Branitzer Park vor den Toren von Cottbus an einem sonnigen Herbstnachmittag: Was für eine berauschende Sinfonie in Rot, Gelb und Braun! Wer zwischen Baumriesen auf den kunstvoll gewundenen Wegen wandelt, vorbei am Schwanenhäuschen und dem Poetenhügel, an Fischbalkon und Parasol, immer neue Sichtachsen bewundernd, bis hin zu den beiden berühmten Lausitzer Pyramiden, der taucht tief ein in die Gedankenwelt des „Grünen Fürsten“ Hermann von Pückler.

Im Barockschlösschen haben sie sein Arbeitszimmer hergerichtet, schön chaotisch, als sei er nur eben mal raus, auf einen Plausch mit den Gärtnern. Es ist der größte Raum des Hauses, hier hat der notorisch untreue, chronisch klamme Exzentriker für die Nachwelt auf 6000 Seiten seine Reisen durch Großbritannien und Südeuropa, an die Mittelmeerküsten Afrikas und den Nil hinauf festgehalten. Doch er kehrte immer wieder zurück, um vor der eigenen Tür, im märkischen Sand, seine Landschaftsgärten nach englischem Vorbild zu schaffen, in Muskau, Babelsberg und eben Branitz.

Und weil man in Cottbus darauf hofft, dass dieser Pückler auch heute noch die Lausitz zu touristischer Blüte führen kann, wird sein 225. Geburtstag jetzt im Staatstheater gefeiert: mit der Uraufführung eines biografischen Theaterstücks. Groß, vor allem großstädtisch sollte die Chose werden. Der Berliner Autor Christoph Klimke wurde mit dem Libretto beauftragt, und von Johann Kresnik, dem viel gefragten Provokateur, erhoffte man sich eine Inszenierung mit überregionalem Nachhall.

Leider hat Kresnik die Cottbuser mächtig reingelegt, flugs den Inhalt seines Standard-Zauberkastens auf die Bühne geschüttet, und sich sonst nicht weiter um den Herrn Pückler geschert. In einer endlosen Folge kurzer Szenen muss Roland Renner, eigentlich ein durchaus sympathischer Fürstendarsteller, immer wieder erklären, wie alt er jetzt gerade ist, und dann verwundert konstatieren, dass die Personen, die ihm mehr oder minder zotige Stichworte zurufen, sich in Wahrheit nie begegnet sind. Das trägt ebenso wenig zum tieferen Verständnis der Fürstenseele bei wie die Stripperinnen, die sich an der Rampe total nackig machen, während der Chor „Flieg, Gedanke“ singt.

Fettleibige, Muskelmänner und Transvestiten wuseln herum, Requisiten werden tonnenweise auf die Szene gekarrt und schnell wieder abgeräumt, eine barbusige Schwarze serviert Rotkäppchensekt, während sich Pückler und ein nordafrikanischer Diktator in schaumgefüllten Badewannen räkeln. Beim Cottbuser Abonnenten mag da vielleicht noch ein wohliger Schauer die Lendengegend streifen, den Besucher aus Berlin aber ödet diese geile, geistlose Mumpitz-Revue bald nur noch an.

Endlich reitet Don Quijote auf einem Trabi ein, der von Karl Marx gesteuert wird, welke Dekobäume schlagen krachend auf die Bühnenbretter, aus dem Schnürboden regnet es Wohlstandmüll. Und Pückler, erschöpft vom Sex mit der Konditorin, die ihm zuvor eine weiß- braun-rote Eisbombe ins Gesicht gedrückt hat, schaut den Vögeln nach, die dorthin ziehen, „wo die Träume überwintern“. Den treffendsten Kommentar zum Stück liefert am Premierenabend einer der Mitwirkenden selber: der Hengst nämlich, der ein von Kleinwüchsigen eskortiertes Lotterbett auf die Szene schleifen muss. Er reagiert auf diesen Reinfall mit – Durchfall.

Wieder am 6. und 27. 11. sowie 21. 12.

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