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Kultur: Entertainer ohne Show

„Warten auf Godot“ am Deutschen Schauspielhaus Hamburg – bis die Erinnerung verlischt

Wie herrlich dieser Vorhang glänzt und glitzert: großartig, silbern und Erfolg versprechend. Über die gesamte Bühnenbreite des Hamburger Schauspielhauses erstreckt er sich, ist seitlich liebevoll gerafft und wellenförmig ausgeschlagen (Bühne: Stéphane Laimé). Es ist der perfekte Vorhang für die Show, die folgt, für das Theater im Theater. Hindurch tritt, vertrottelt und doch siegessicher, Tilo Nest als Estragon. Er grüßt und freut sich, posiert und verbeugt sich, einem gewieften Showstar gleich. Es funktioniert: Das Publikum applaudiert. Wenig später folgt, lang und schlaksig, Joachim Meyerhoff als Wladimir. Er trägt einen Bart, einen albernen Hut und Hochwasserhosen – Kathrin Plath hat die Achtzigerjahre-Kostüme entworfen –, wirft Knallerbsen umher und amüsiert sich selbst am meisten. Sie sind ein eingespieltes Team, der kleine Dicke und der große Dünne; zwei Entertainer ohne Show. Die ist längst abgespielt.

Und so heißt es eben Warten, „Warten auf Godot“. Langweilig ist das für die beiden Witzbolde, und nur zäh vergeht für sie die Zeit. Mal greifen die beiden Alleinunterhalter ergebnislos zur Gitarre, mal kippeln sie slapstickartig mit den Mikrofonen, entdecken hinterm Vorhang ein kahles Bäumchen und denken kurz auch mal an Selbstmord. Sie reden, streiten, schweigen miteinander. Sind schnell verärgert, noch schneller gar versöhnt. Und stets erhellt sie – die Show muss schließlich weitergehen – ein strahlend heller Scheinwerferkegel.

So rührend wie ein angegrautes Ehepaar sind Wladimir und Estragon, spielen altvertraute Spiele, doch klebrig ist die Zeit. Bis ihnen Herrenmensch-Zirkusdirektor Pozzo (Jörg Ratjen) und sein Sklave Lucky (Lukas Satz) ein wenig Ablenkung bringen. Wunderbar traurig ist diese Szene, in der Lukas Satz seinen bescheidenen Ausdruckstanz vollführen muss. Stumm steht er auf dem Stuhl, klappt beflissen seine rosa Hasenohren hoch und runter, zappelt kurz und erschauert tief.

Hausregisseur Jan Bosse hat Samuel Becketts Klassiker, der ja aus der Tradition der Music Halls und Vaudevilles kommt, komödiantisch inszeniert. Dabei hat er dem Stück seine melancholische Grundstimmung gelassen und die tragikomischen Figuren feinfühlig portraitiert. So erspielen sich, am Rand der schmalen Vorderbühne, Tilo Nest und Joachim Meyerhoff, die man vom Berliner Maxim Gorki Theater kennt, mit kleinen, menschlichen und unbeholfenen Unternehmungen die Sympathie des Publikums. Auch als der gespenstische Auftritt zweier Kinder Godots Kommen absagt und für den nächsten Tag verspricht, harren Wladimir und Estragon ergeben aus. Vor dem Vorhang kauernd. Bis die Erinnerung verwischt. Bis zum Schluss.

Katrin Ullmann

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