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Im Bann der Elektroklänge. Das Stück „Sunny“ von Emanuel Gat und Awir Leon.

© Dajana Lothert/Tanz im August

Eröffnung Tanz im August: Ich möchte ein Eisbär sein

Fabelwesen und Veteranen: Die Choreografen Emanuel Gat und Eszter Salamon eröffnen das Berliner Festival „Tanz im August“.

Von Sandra Luzina

Die Aussichten sind sonnig, auch wenn zuerst ein tanzender Eisbär auftritt. Am Freitag wurde der „Tanz im August“ im Beisein des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und des Kulturstaatssekretärs Tim Renner eröffnet. Das Festival habe viel dazu beigetragen, wie Berlin als Kunst- und Kulturmetropole wahrgenommen werde, sagte Müller. Er verwies darauf, dass es nun auf eine „vernünftige finanzielle Basis“ gestellt wurde.

Im letzten Jahr hatte der Berliner Senat gemeinsam mit dem Hauptstadtkulturfonds eine Etaterhöhung auf 600 000 Euro beschlossen. Müller lobte zudem Leidenschaft und Sachverstand der Kuratorin Virve Sutinen, deren Vertrag gerade um zwei Jahre verlängert wurde. Bewährt hat sich in seinen Augen auch die Struktur, dass der „Tanz im August“ allein vom Hebbel am Ufer veranstaltet wird. Mit Blick auf das Engagement von Annemie Vanackere, der künstlerischen Leiterin des HAU, sagte Müller anerkennend: „Hier wird mit allen Mitteln gearbeitet.“

Sutinen, eine mitreißende Rednerin, brach erneut eine Lanze für den zeitgenössischen Tanz. Er stelle unsere Wahrnehmung und unser Weltbild infrage und sei nicht nur eine Kunstform, sondern eine Methode, um zu erkennen, wer wir sind. In Anlehnung an die Choreografin Deborah Hay erklärte Sutinen das Festival zur „autonomen Zone für Optimismus“ – trotz der komplizierten Weltlage.

Der Soulhit "Sunny" liefert die musikalische Grundlage

„Sunny“ von Emanuel Gat ist beides: Live-Konzert und Tanz-Performance. Die neue Produktion entstand als Kooperation mit Awir Leon: Der französische Musiker und Produzent hat acht Jahre lang in Gats Company getanzt und ist heute ein Shooting Star der Elektro-Szene. Zu Beginn singt er mit träumerischer Stimme eine Coverversion des Soulhits „Sunny“ von Bobby Hebb, über die er Klangwellen aus sanften Sounds schichtet. Seit der Uraufführung bei der Biennale in Venedig im Juni wurde die Aufführung stark gestrafft. Doch auch in Berlin betritt zunächst ein kurioses Fabelwesen die Bühne. Einer der Tänzer hat sich mit Eisbärfell und -maske als Stammeskrieger verkleidet; auf dem Kopf balanciert er einen Korb mit grünem Gras. Ob das eine Anspielung auf den Klimawandel ist? Wohl kaum, eher wird hier der Lust an der Maskerade gehuldigt.

Nach dem Vorspiel geht es gleich in die Duette. Die Frauen, die in knappen Trikots wie Badenixen aussehen, rücken sich zärtlich auf den Leib. Sie lenken auf sanfte Weise ihre Partnerin, indem sie sie umfassen, ihren Bewegungsradius begrenzen. Die verschlungenen Dialoge, in denen die Tänzerinnen auf die Partnerin reagieren müssen, sind improvisiert – lassen also Raum für das Unerwartete, Abseitige.

Gat hat in den letzten Jahren seine Methode weiterentwickelt. Seine früher so ausgefeilte Formensprache wurde immer mehr aufgesprengt. Er will dem Stück nicht mehr seinen Stempel aufdrücken, sondern sieht sich eher als Ermöglicher und räumt den Tänzern große Freiheiten ein. Die beobachten sich gegenseitig und rufen sich Stichworte und Befehle zu, um den zeitlichen Ablauf zu strukturieren. Der Tanz entfaltet sich jeden Abend neu aus der lebendigen Kommunikation. Es macht Spaß, den neun Tänzern zuzuschauen, sie strahlen Wachheit, Neugier und eine sanfte Erotik aus. Oft wirkt es, als wenn sie die Bewegung nur skizzieren, Abläufe ausprobieren. Dieses Unfertige hat durchaus seinen Reiz, obwohl der Abend manchmal an Spannung verliert. Es stimmt zuversichtlich, wie sensibel die Tänzer miteinander umgehen. Willkommen in der optimistischen Zone.

Eine Hommage an zwei wunderbare alte Tänzer

Seltsam düster hob danach „Monument 0.1: Valda & Gus“ im HAU2 an. Das Stück, das die Berliner Choreografin Eszter Salamon gemeinsam mit Christophe Wavelet erarbeitet hat, soll eigentlich eine Hommage an zwei wunderbare alte Tänzer sein: Valda Setterfield, 81, und Gus Solomons Jr., 76, haben in den sechziger Jahren in der Company von Merce Cunningham getanzt. Sie können auf ein reiches Künstlerleben zurückblicken.

Doch Salamon gelingt es nicht, den Persönlichkeiten auf der Bühne Leuchtkraft zu verleihen. Minutenlang müssen sie im Finstern verharren wie in einer Gruft. Wenn in gestammelten Sätzen die Schwierigkeit des Erinnerns thematisiert wird, wähnt man sich in einem Stück über Demenz. Es ist weder eine lebendige Verkörperung von Tanzgeschichte, noch findet es einen adäquaten Ausdruck für die Veteranen. In dem Puppenspiel, in dem Cunningham und Martha Graham ihre Kontroverse ausfechten, schimmert zwar der Witz von Solomons Jr. durch. Doch die beiden Performer wirken bisweilen selbst wie Marionetten. Es ist ein eher trauriger Versuch, sich dem drohenden Vergessen entgegenzustemmen.

Tanz im August, bis 4. September, Programminfos unter: www.tanzimaugust.de

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