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Kultur: Erotische Küche

"Niemand kennt die Rezeptur des Glücks", schreibt der Kolumbianer Héctor Abad, Jahrgang 1958, und empfiehlt doch zumindest Heilmittel gegen Unglückszustände wie Traurigkeit, Einsamkeit und Langeweile. Ein Heilmittel etwa sei hin und wieder einen Löffel voll von etwas sehr Süßem zu sich zu nehmen und es dann auf der Zunge zergehen zu lassen.

"Niemand kennt die Rezeptur des Glücks", schreibt der Kolumbianer Héctor Abad, Jahrgang 1958, und empfiehlt doch zumindest Heilmittel gegen Unglückszustände wie Traurigkeit, Einsamkeit und Langeweile. Ein Heilmittel etwa sei hin und wieder einen Löffel voll von etwas sehr Süßem zu sich zu nehmen und es dann auf der Zunge zergehen zu lassen. Aber auch Salziges soll das scheue Glück fördern. Dazu, rät Abad, sollte man bittere Früchte essen.

Traurigkeit soll man Abad zufolge, der für die von Garcia Márquez gegründeten Zeitschrift "Cambio" arbeitet, aber auch pflegen. Mit Leopardi zu reden: "Wie die Luft den Raum zwischen den Gegenständen füllt, so füllt die Melancholie die Intervalle zwischen einem Vergnügen und dem nächsten." Die Traurigkeit sollte man auch kosten, zum Beispiel mit Blumenkohl im Nebel. Gesalzen wird mit den eigenen Tränen: "Weine mehr und mehr, bis die Röschen deine Traurigkeit eingesaugt haben, ohne dich auszutrocknen oder zu beruhigen, ohne dir das zu stehlen, was dir gehört und dir niemand nehmen kann: deine Traurigkeit."

Sinnenfrohe Frauen sollen das Lager für den Liebsten mit Myrrhe, Aloe und Zimt benetzen, um sich an der Liebe bis zum nächsten Morgen berauschen zu können. Von den Männern schreibt Abad, dass sie zwar "arme Tröpfe" seien und nichts in der Küche zu suchen hätten. Doch deshalb ist es für sie um so wichtiger zu wissen, was in der Küche entsteht. Gute Laune macht Appetit. Dazu sollen wir unsere Sinne benutzen. Zuerst den Tastsinn, indem wir das Brot mit der Hand berühren, dann den Geruchssinn, mit dem wir den Essensgeruch wahrnehmen, aber auch den Geschmackssinn. Mit der Lust auf Essen kann auch sexueller Appetit angestachelt werden. Wie sagt doch eine florentinische Matrone: "Lustlos am Tisch, lustlos im Bett". Héctor Abads bitter-süße Rezepte sind voll tropischer Sinnenfreude, Weltklugheit und Selbstironie. Denn "alles, was zu viel ist, war schon immer Gift." Dieses schmale, von Sabine Giersberg übersetzte Buch (Wagenbach, 23,80 DM), gehört dazu gewiss nicht.

Joachim Hildebrand

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