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Design: Es klappt an allen Ecken und Enden

Das zeitgenössische Design bedient sich der Formensprache von Origami. Aber weniger aus Papier, denn aus Metall, Plexiglas, Corian oder Schaumstoff bestehen die geometrisch skulpturalen Möbel und Wohnaccessoires, deren Vorbild und Inspiration verkaufsfördernd auch gern gleich in den Namen eingefügt wird.

Im Möbeldesign experimentieren die Designer derzeit so auffällig oft mit den konstruktiven und ästhetischen Möglichkeiten der japanischen Papiertradition, dass man meinen könnte, jemand hätte offiziell den Origami-Trend ausgerufen.

Aber weniger aus Papier, denn aus Metall, Plexiglas, Corian oder Schaumstoff bestehen die geometrisch skulpturalen Möbel und Wohnaccessoires, deren Vorbild und Inspiration verkaufsfördernd auch gern gleich in den Namen eingefügt wird. Bei Rosenthal gibt es jetzt im modernen Faltdesign die Porzellanschälchen „Origami“. Anthony Dickens nennt seine Glastische, die auf ineinander gesteckte Tischstützen ruhen, „Origami Range“. Und Matthias Demacker verrät die Abstammung seiner Gestaltungsidee, indem er seine 2007 mit dem „Red Dot Award“ ausgezeichneten Metalltische schlicht „Origami“ nennt.

Zu den ersten, die Metallplatten origamitechnisch in Möbelform brachten, gehört der belgische Designer Xavier Lust. Für die Firma „Extremis“ entwarf er 2001 aus gefalteten Aluminiumplatten die spartanisch schlichte Outdoor-Möbelkombination „Picnic“, die sowohl Tisch wie auch Bank ist. Mittlerweile hat sich das Faltprinzip bei Xavier Lust schon zur gestalterischen Masche gesteigert. Für „MDF Italia“ entstand die Sitzbank „Le Banc“ und für „De Padova“ der Schrank „Crédence“. Ähnlich geht auch der amerikanische Designer Stephen Burks vor. Seine bunt lackierten Beistelltische „Part“ für „B&B Italia“ sind nichts anderes als in dreidimensionale Origami-Form gebrachte Aluminiumplatten.

Zu den neuen Metall-Origaministen zählen auch Christophe de la Fontaine und der vielfach ausgezeichnete Designer Stefan Diez, die im letzten Jahr für das italienische Avantgardelabel „Moroso“ ein komplettes Origami-Ensemble entwarfen. Ihre bunt lackierte Metallmöbelserie „Bent“ umfasst Sessel, Stühle, Tische, Hocker und Beistelltische. Die Biegelinien beziehungsweise Faltlinien sind bei diesen plastisch geometrischen Möbeln so auffällig grob mit Laserschnittverfahren gelöchert, als könnte man sie ohne größeren Kraftaufwand wie Briefmarkenbögen auseinanderreißen und in ihre Bestandteile zerlegen. Das im Grunde einfache Konstruktionsprinzip dieser Faltmöbel wird mit der Laserschnittnaht noch unterstrichen. Die Metallobjekte bekommen auf diese Weise etwas provisorisch Rohbauartiges, was wohl auch die wie in Umzugkartons ausgestanzten Grifflöcher betonen sollen, an denen sich die „Bent“-Möbel hin- und hertragen lassen.

Bei dem jungen schwedischen Designbüro „Form us with love“ ist der Origami-Ansatz vor allem exzentrisch formverliebt. Bei ihrem Ohrensessel „Origami Chair“ wollten sie mit der Falttechnik, wie sie meinen, die Kraft von Licht und Schatten grafisch nutzen. Was dabei herauskam, sieht allerdings eher futuristisch verspielt aus und erinnert in seinen Umrissen an den alten Zickzack-Stuhl von Gerrit Rietveld. Ergonomisch anspruchsvoll wird das Faltprinzip bei dem amerikanischen Label „Vessel“, dessen neuer Metallstuhl „Real good Chair“ zwar unglaublich schwer ist, so dass er sich nur mit einiger Mühe vom Tisch wegziehen lässt, aber dessen origamiartig geformte Sitzfläche tatsächlich erstaunlich flexibel und bequem ist.

Dass Falttechniken und Origami-Design selbst in der gemütlichen Polstervariante funktionieren, haben die Gebrüder Bouroullec mit ihrem 2005 für „Ligne Roset“ entworfenen Sesseln und Sofas „Facett“ bewiesen. Ähnlich einem normalen Kleiderschnittmuster entwickelten die beiden Designer zur Herstellung ihrer Polstermöbel plane Prototypen aus Papier, die sie dann zu dreidimensionalen Objekten falteten und die später in der gepolsterten Version tatsächlich wie vergrößerte Origami-Geometrien aussehen. Geradezu origamiphilosophisch unterfüttert ist der Gestaltungsansatz bei dem französischen Nachwuchsdesigner Grégory Lacoua. Als wollte Grégory Lacoua das essenzielle Faltcredo dieser Kunst beweisen, nämlich dass in jedem Blatt Papier immer auch etwas anders steckt, entwarf er für „Ligne Roset“ das Doppelwesen „Gregory“. Dieses faltbare Verwandlungsmöbel ist zum einen weiche Spielwiese für Kinder und lässt sich im nächsten Moment dann sozusagen kinderleicht in einen Hocker hochklappen.

Noch komplexer werden solche Faltkunststücke bei den Berliner Designern „Fuchs + Funke“. Ihr Klappstuhl „Papton“, der letztes Jahr in der Ausstellung „Masters of Origami“ im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg gezeigt wurde, besteht aus 2,5 Kilo schwerer Pappe. Mit wenigen Handgriffen wird aus dieser Pappe dann ein Stuhl, der nicht nur bequem ist, sondern in seiner Gestalt auch eine überzeugende Papp- beziehungsweise „Papton“-Interpretation des berühmten Panton-Chair darstellt. Wer will, kann sich Anleitungen für solche Interimsmöbel inzwischen direkt aus dem Netz laden. Nora Sobich

Weitere Informationen unter:

www.foldschool.com

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