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Kultur: Familien: Arm durch Kinder?: Deligöz: "Mit einfacher Umverteilung ist nichts zu erreichen"

Ekin Deligöz (29) ist Grüne und Vize-Vorsitzende des Ausschusses für Familienpolitik im Bundestag. Armut ist längst nicht mehr nur ein Problem von Randgruppen, heißt es im Entwurf des Berichts.

Ekin Deligöz (29) ist Grüne und Vize-Vorsitzende des Ausschusses für Familienpolitik im Bundestag.

Armut ist längst nicht mehr nur ein Problem von Randgruppen, heißt es im Entwurf des Berichts. Die Kinderarmut steigt. Welche Konsequenzen empfehlen Sie der Bundesregierung?

Das Problem der Kinderarmut muss von der Bundesregierung ernst genommen werden. Wir haben eine Million Kinder in Deutschland, die von der Sozialhilfe leben. Hinzu kommt eine Dunkelziffer derer, die in verdeckter Armut unterhalb des Existenzminimums leben, etwa in gleicher Höhe. Bei den nächsten Stufen der Familienförderung dürfen wir nicht wie bisher nur auf das Gießkannenprinzip setzen, wie wir das derzeit mit dem Kindergeld machen, sondern wir müssen vor allem bedarfsorientiert fördern. Ganz gezielt muss das Mindest-Existenzminimum der Kinder gesichert werden.

Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche zugewanderter Familien. Was kann hier anders gemacht werden?

Kinder und Jugendliche zugewanderter Familien brauchen neben der finanziellen Absicherung Bildung, Lehrstellen, Chancen zum Aufstieg. Der Bildungsgrad der zugewanderten Jugendlichen - ob es nun um Migranten aus Anwerbestaaten oder um Aussiedler geht - ist zumeist sehr niedrig. Sie gehören zu den Arbeitnehmern, die am schnellsten in die Spirale der Arbeitslosigkeit hineinkommen oder in niedrig qualifizierten Bereichen berufstätig sind. Gezielt muss in Bildung, Sozialberatung investiert werden, in den Schulen und Bildungsstätten sollte es besondere Förderangebote geben.

Als die SPD, noch in der Opposition, den ersten nationalen Armutsbericht beantragt hat, wies sie darauf hin, dass nicht nur Armut, sondern auch Reichtum ein Thema der Debatte sein muss. Ist eine Umverteilung von Reich zu Arm zu erwarten?

Der Armutsbericht hat zur Grundlage bestehende Daten, es wurden keine neuen erhoben. Es fehlen uns nach wie vor ausführliche Auskünfte zu den höheren Einkommen. Natürlich wissen wir, dass es Reichtum in diesem Land gibt. Aber es ist falsch zu glauben, dass durch einfache Umverteilungs-Schemata wie die Erhöhung der Erbschafts- oder Vermögenssteuer etwas zu erreichen ist. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer etwa würde auch Klein- und Mittelbetriebe treffen, kleine Handwerksmeister.

In der Bewertung des Armutsberichts haben die Experten aus dem Arbeitsministerium auf rot-grüne Reformprojekte in der Steuerpolitik verwiesen. Helfen sie den Armen wirklich?

Sie sind ein erster Schritt. Sie helfen vor allem den Menschen im Lande, die berufstätig sind und Steuern zahlen, also der Mittelschicht. Für die, die über Jahre von Sozialhilfe abhängig sind, sieht es schwieriger aus. Dort sind weitere Reformen dringend geboten. Für Teilzeitbeschäftigte oder Familien mit Kindern sind die Maßnahmen der Bundesregierung sehr wichtig gewesen. Aber in keinem Fall dürfen wir stehen bleiben.

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