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Kultur: Feiner Geist

Zum Tod des Schweizer Tenors Ernst Haefliger

Eigentlich wollte er ja Lehrer werden. Nach der Matura geht der am 6. Juli 1919 in Davos geborene Ernst Haefliger nach Zürich, um sich aufs Lehramt vorzubereiten. Bei einer Prüfung für Schulgesang aber wird der Dirigent Volkmar Andreae auf seine sängerische Begabung aufmerksam, bietet dem 22-Jährigen die Partie des Evangelisten in Bachs „Johannes-Passion“ an. Der Erfolg ist durchschlagend, das Zürcher Opernhaus verpflichtet ihn als lyrischen Tenor. Doch das Konzertpodium bleibt Haefliger stets genauso wichtig wie die Bühne. In den fünfziger und sechziger Jahren gilt er als der Evangelist für die Bach- Passionen. Haefligers außergewöhnliche Gestaltungskraft begeistert besonders Karl Richter, der ihn häufig für Aufführungen mit seinem Münchner Bachchor verpflichtet.

Bei der Uraufführung von Carl Orffs „Antigonae“ 1949 bei den Salzburger Festspielen lernt Haefliger Ferenc Fricsay kennen, der ihn nach Berlin an seine Städtische Oper holt. Mit Elisabeth Grümmer, Pilar Lorengar, Erika Köth und Dietrich Fischer-Dieskau bildet Haefliger das legendäre Mozart-Ensemble des Hauses, begeistert vor allem als Tamino,singt aber auch Pfitzners „Palestrina“ oder den Steuermann im „Fliegendem Holländer“. Bis 1972 bleibt der häufig als „singender Gentleman“ charakterisierte Tenor dem Charlottenburger Opernhaus treu, geht dann als Professor an die Münchner Musikhochschule. Seit 2006 trägt der Schweizer Gesangswettbewerb „Concours Ernst Haefliger“ seinen Namen.

„Man hört Haefliger nicht als Stimme, sondern als Musiker“, schreibt Jürgen Kesting in „Die großen Sänger unseres Jahrhunderts“, und würdigt den Sänger als klugen, kompetenten, engagierten Interpreten vor allem im Bereich von Oratorium und Kunstlied. Enorm die Spannweite seines Repertoires: Neben Bach und Mozart steht ganz selbstverständlich die Moderne. Strawinskys „Oedipus Rex“ nimmt er zweimal für die Schallplatte auf, engagiert sich für die Werke seines Landsmanns Franck Martin, singt Kodalys „Psalmus Hungaricus“ oder Janáceks „Tagebuch eines Verschollenen“. Schuberts Lieder begleiten Haefliger während seiner ganzen Karriere, noch in den achtziger Jahren nimmt er mit dem Pianisten Jörg Ewald Dähler die „Schöne Müllerin“ und die „Winterreise“ auf. Am Samstag ist Ernst Haefliger in Davos 87-jährig an Herzversagen gestorben. F. H.

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