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Kultur: Festspielwiese (7)

Peter Laudenbach verspeist die eine und andere Sachertorte Die Salzburger Festspiele sind immer eine Freude. Selbst wenn die Theateraufführungen uns einmal nicht vom Sessel reißen, kann man sich mit einer Sachertorte im Café Tomaselli trösten, an freien Tagen in die Berge fahren oder die Perversion des „Jedermann“Spektakels als Sakral-Trash genießen.

Peter Laudenbach verspeist

die eine und andere Sachertorte

Die Salzburger Festspiele sind immer eine Freude. Selbst wenn die Theateraufführungen uns einmal nicht vom Sessel reißen, kann man sich mit einer Sachertorte im Café Tomaselli trösten, an freien Tagen in die Berge fahren oder die Perversion des „Jedermann“Spektakels als Sakral-Trash genießen. Salzburg ist schön, aber spätestens am dritten Tag fragt man sich, was für psychodelische Drogen sie einem in die Sachertorten gemixt haben. Nach zwei bis drei Tagen Salzburg weiß ich nicht mehr, ob das Halluzinationen sind, was sich da zwischen Fiakern und Touristen-Tausendschaften vor meine Augen schiebt, oder ob es mich einfach nur in ein seltsames Paralleluniversum verschlagen hat, in dem es von vollleibigen Opernsängern, Prinz Charles-Doubels, verkaterten Staatstheaterschauspielern, Münchner Modefrisören, Pferdeäpfeln und Zwölfzylindern wimmelt, während Hunderte von Österreichern hinter Absperrungen harren und wie kaisertreue Kinder ihrem huldvoll lächelnden Bundespräsidenten zuwinken.

In diesem Jahr zum Beispiel stand plötzlich Helmut Kohl vor mir. Er sagte immer wieder zu seinen beiden Leibwächtern, dass das alles überhaupt kein Problem sei, wirklich, gar kein Problem. Irgendwie wirkte er sehr vertrauenserweckend und ziemlich depressiv. Aus der Nähe sah er ein bisschen aus wie mein Großvater, der am Ende auch immer depressiver geworden war. Eine Dame im Dirndl, wahrscheinlich eine Festspiel-Mitarbeiterin, stand neben Helmut Kohl und konnte gar nicht aufhören zu nicken. Ansonsten kümmerte sich niemand um ihn. Wahrscheinlich sind es die Salzburger gewohnt, dass frühere Bundeskanzler auf ihren Plätzen rumstehen und erzählen, es gebe kein Problem. Ich fand es beruhigend diesem No-Problem-Gemurmel zuzuhören, schließlich hatte ich einen harten Vormittag hinter mir. Jürgen Flimm hatte den „Max Reinhardt Pen“ der Firma Montblanc in die Kameras gehalten und dazu sein schönstes Schauspieldirektoren-Lächeln aufgesetzt. Montblanc hat wohl einige Inszenierungen gesponsert. Der mit handgemalten Theaterszenen auf Meißener Porzellan und Edelsteinen verzierte „Max Reinhardt Pen“ kostet 13800 Euro und ist nur während der Festspielzeit und nur im Salzburger Montblanc-Shop zu erwerben. Der Schauspieldirektor konnte gar nicht aufhören, sich darüber zu freuen.

Als mir gerade schwindelig wurde, hörte ich, wie eine Dame im Designer-Dirndl mit leicht hanseatischer Aussprache sagte, dass Veronica Ferres und Jürgen Flimm am nächsten Tag im Montblanc-Shop Gedichte und literarische Apercus zum Vortrag bringen würden. Ich hätte gerne eine Fernsehaufzeichnung dieser Lesung. Die könnte ich mir immer ansehen, wenn mir theaterhassende Menschen erzählen, das Theater müsse populärer, positiver und optimistischer werden.

Am nächsten Tag traf ich den wunderbaren Schauspieler Hans Kremer. Wir aßen einen Kuchen im Café Tomaselli, und Hans Kremer sagte einen seiner schönen Kremer-Sätze: „Die großen, schweren Sahne-Torten in Salzburg, das sind die Opernaufführungen. Wir vom Theater sind höchstens der Café Melange.“ Dann tranken wir eine Melange und fanden Salzburg auf alle Fälle wieder ganz wunderbar.

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