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Kultur: Fieser Psychoterrorist

Natürlich ist die Geschichte erstunken und erlogen.Aber sie ist der Stoff, aus dem die Legenden gewoben werden.

Natürlich ist die Geschichte erstunken und erlogen.Aber sie ist der Stoff, aus dem die Legenden gewoben werden.Und sie ist ungemein film- und theatertauglich.Antonio Salieri, diese Verkörperung der musikalischen Mittelmäßigkeit, hat, so behauptet der Bühnenautor Peter Shaffer, Mozarts frühen Tod durch Psychoterror mit herbeigeführt.Später streut Shaffers Salieri sogar das Gerücht aus, Mozart vergiftet zu haben.Wenn seine dürftigen Kompositionen nicht unsterblich sind, dann doch wenigstens seine bösartige Tat.

Ein hinterhältiger, doppelzüngiger Fiesling im barocken Rüschengewand, das ist denn auch der Salieri, den Julian Weigand auf die düstere, von Kerzen matt beleuchtete Bühne der Berliner Kammerspiele stellt.Ob er als greinender Greis im Rollstuhl hockt und sich durch sein verkorkstes Leben sabbert oder mit gepuderter Perücke am Wiener Hofe seine Intrigen und Komplotte schmiedet, Salieri ist in Josef E.Köpplingers Inszenierung von "Amadeus" die zentrale, alles überstrahlende, alles vernichtende Figur.Er ist ein mephistophelischer Dämon, der mit Gott und der Musik und vor allem mit Mozarts Genie hadert.Ihn wurmt, daß dieser aus Milos Formans Film entsprungene Mozart (Stephan Bürgi), ein bunter Vogel und schriller Frühpunk, ein ordinäres Kind und geiler Bock, die kompliziertesten Kompositionen nur so aus dem Ärmel schüttelt.Mozarts Karriere zu hintertreiben, ihn beim Kaiser zu desavouieren und vor den Logenbrüdern ins Unrecht zu setzen, wird zu Salieris Lebensinhalt.

Köpplinger baut auf filmische Schnitte und Rückblenden, turbulente Maskenwechsel und temporeiches Bühnengewusel.Stumme Lakeien und servile Hofschranzen, ein leicht verblödeter Kaiser (Frank Hangen) und eine lüstern-liederliche Constanze (Karola Niederhuber) geben Kurz- und Kürzestauftritte auf einer Bühne, die permanent in Bewegung ist.Die Erinnerungsarbeit Salieris als polternde Baustelle.Selten einmal gibt es Ruhe und Nachdenklichkeit.Aber wenn, dann hat Julian Weigand große schauspielerische Momente.Dann ist er wirklich der vom Wahn Getriebene, den er sonst nur spielt.

Die zupackend agierenden Darsteller konnten für ihren Mozart-Krimi bei der Premiere jubelnden Applaus einheimsen.Ob es reicht, um die Schließungspläne des Gutachters Peter Stoltzenberg Makulatur werden zu lassen?

Vorstellungen bis zum 4.Juli jeweils Dienstag und Mittwoch 10 Uhr, Donnerstag, Freitag und Sonnabend 19 Uhr.

FRANK DIETSCHREIT

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