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Film: DDR-Vergangenheit im Kino

Anne Gollin ist 25, als sie 1982 von der Stasi verhaftet wird, weil sie im engsten Freundeskreis gegen das DDR-Regime agitierte. Ihr einjähriger Sohn wird ihr bei der Festnahme entrissen und ins Heim gesteckt.

Berlin - So wie der jungen Mutter erging es schätzungsweise 250.000 Bürgern der DDR, die aus fragwürdigen politischen Gründen verhaftet wurden. Auch Utz Rachowski sowie Tine und Matthias Storck mussten vor dem Mauerfall ins Gefängnis. Sie alle kamen erst wieder frei, als die Bundesrepublik sie freikaufte.

Das Geschäft mit den politischen Gefangenen war für den Staatsapparat der DDR höchst lukrativ. Unbescholtene Bürger wurden oftmals wegen Nichtigkeiten inhaftiert, nur um sie gegen Geld auslösen und in den Westen abschieben zu können. Viele Familien wurden auf diese Weise zerrissen. Der Dokumentarfilm "Jeder schweigt von etwas Anderem" von Marc Bauder und Dörte Franke greift sich drei dieser Familienschicksale exemplarisch heraus.

Wege durch Niemands Land

Selbst 16 Jahre nach der Wende wird deutlich, wie präsent die Ereignisse für alle Betroffenen noch heute sind. Anne, Utz, Tine und Matthias sind vor mehr als 20 Jahren ins Gefängnis gegangen, weil sie nicht schweigen wollten. Heute fällt es ihnen hingegen unheimlich schwer, von ihrer Vergangenheit zu berichten. Zu quälend sind die Erinnerungen. Der Pastor Matthias Storck hat mit seinen Kindern beispielsweise noch nie offenen darüber geredet. Er scheut die Konfrontation genauso wie sein Nachwuchs die Fragen. Dafür hat er seine Erlebnisse immerhin zu Papier bringen können und unter den Buchtiteln "Wege durch Niemands Land" und "Karierte Wolken" veröffentlicht.

In ihrem Dokumentarfilm stellen Bauder und Franke die Familienschicksale in den Vordergrund. Sie präsentieren die Lebensrealität der Opfer und halten sich mit den damals vorherrschenden Rahmenbedingungen zurück. Weder der Prozess des Freikaufens durch den Westen noch die näheren Umstände der Verhaftungen werden durchleuchtet. Es geht allein um die ehemaligen Häftlinge und ihre heutigen Emotionen.

Jeder schweigt von etwas Anderem

Die Kamera überfliegt bei deren Erzählungen bisweilen die mittlerweile verlassenen Originalschauplätze im Gefängnis. Der Zuschauer sieht verwaiste Zimmer, ausgeräumte Schränke und leere Bänke. Die Täter leben zwar längst noch unter uns, haben sich aber irgendwie verflüchtigt. Geblieben sind die Opfer und ihre anhaltenden Albträume.

Auf einnehmende Weise bietet "Jeder schweigt von etwas Anderem" Hintergrundinformationen zu Filmen wie "Das Leben der Anderen" und ein Kontrastprogramm zu Komödien wie "Good Bye, Lenin!" Der Dokumentarfilm setzt somit einen weiteren wichtigen Mosaikstein ins Gefüge der cineastischen Auseinandersetzungen mit der DDR-Vergangenheit.

"Jeder schweigt von etwas Anderem", Dokumentarfilm, Deutschland 2006, 72 Minuten, Regie: Marc Bauder, Dörte Franke, Darsteller: Anne Gollin, Utz Rachowski, Tine und Matthias Storck u.a. Kinostart: 14. September 2006. (Von Oliver Zimmermann, ddp)

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