zum Hauptinhalt

Kultur: Film oder nicht Film

Eine

von Jan SchulzOjala

Sein, der schönste philosophische Infinitiv, macht unsterblich. Zumindest die Verwendung dieses Verbs in bedeutsamem Kontext. Im deutschen Film, um gleich von Geringerem zu reden, bestimmte schon immer das Sein das Bewusstsein – und hat etwa den Kritiker Joe Hembus ins Elysium der unkaputtbaren Filmzitate katapultiert. „Der deutsche Film kann gar nicht besser sein“, schrieb er 1961. Und meinte damit nicht etwa, dass dessen tolle Qualität nicht steigerbar sei, sondern, wie man in seinem „Grabgesang“ weiter lesen konnte: „Der deutsche Film, er ist schlecht. Er will auch weiterhin schlecht bleiben.“

Soeben haben sich, am Rande eines neuen, dem jüngeren deutschen Film geweihten Festivals, die Autoren einer „Ludwigshafener Position“ zur Seinsfrage geäußert. „Der deutsche Film wird Kunst sein oder er wird nicht sein“, schreiben die 21 Filmkünstler, zu denen so junge Namen wie Robert Thalheim und Jule Böwe, aber auch Veteranen wie Hanna Schygulla oder Peter Lilienthal gehören. „Kunst sein oder nicht sein“: Hamlet, dem größten Seinszitatenspender, dürfte die Zuspitzung gefallen.

Mit schönem Pathos fegen die Verfasser der knapp-kernigen Schrift mal eben die „deutsche Filmindustrie“ beiseite, machen sich frei von Konformitäts- und Konfektionszwängen und schütten ein ganzes Badefass voller Adjektive aus: „Eigensinnig, ungeschliffen, waghalsig, ungezähmt, erschütternd, authentisch, leidenschaftlich und lebendig“ sei der deutsche Film – nicht „rosig“, sondern „rot wie das Blut und die Liebe“.

Fast will man angesichts solchen Bekennerschriebs verschämt die Augen niederschlagen, wäre da nicht die überdeutliche Anlehnung an jenes Oberhausener Manifest von 1962, dem Joe Hembus erst den Weg geebnet hatte. Nur: Die Oberhausener, damals junge Kurzfilmer, wollten immerhin den „neuen deutschen Spielfilm schaffen“. Zwar beklagten auch sie bereits den Druck durch „kommerzielle Partner“, erklärten sich aber „gemeinsam bereit, wirtschaftliche Risiken zu tragen“. Keine Frage: Das Manifest war keine Wolkenkuckucksheimeligtuerei, sondern eine Kampfansage.

Bescheidene Fußnote: Der deutsche Film ist nicht Kunst oder gar nichts. Er ist immer auch Kommerz, wovon etwa Ottos, Bernd Eichingers oder Bully Herbigs gesamtwerkliche Anstrengungen künden. Und er wird auch immer beides bleiben. Dass nun einige Regisseure und Schauspieler sich plakativ nur und nur und nur zur Kunst bekennen: Soll sein.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false