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Filmgeschichte: Ein deutscher Sozialist

Zum 30. Todestag des Filmregisseurs Konrad Wolf zeigen das Berliner Bundesplatz-Kino und das Toni eine Retrospektive mit seinen wesentlichen Arbeiten

Am 1. Oktober 1982 wurde Helmut Kohl zum Bundeskanzler gewählt. In der DDR veröffentlichten Robert Havemann und Rainer Eppelmann den Berliner Appell, während in West-Berlin Nachrüstungsgegner gegen den Reagan-Besuch auf die Straße gingen. Im selben Jahr starben zwei der bedeutendsten Filmemacher Deutschlands: in München Rainer Werner Fassbinder mit nur 37 Jahren. Und am 7. März erlag in einem Ost-Berliner Krankenhaus der 20 Jahre ältere Konrad Wolf einem Krebsleiden.

Die beiden stehen für die Filmgeschichten beider deutschen Staaten. Beide beschäftigten sich mit den Brüchen und Kontinuitäten deutscher Geschichte: Während Fassbinder mit obsessivem Schaffenseifer das historische Kontinuum durcharbeitet, kreist Wolfs Interesse um Arbeiterbewegung, Nationalsozialismus, Krieg, sozialistischen Wiederaufbau, praktische Moral und Kunst. Zusätzlich treibt den als Rotarmisten nach Deutschland zurückgekehrten Sohn des in die Sowjetunion exilierten jüdischen Schriftstellers und lebensreformerischen Arztes Friedrich Wolf die Auseinandersetzung mit dem deutsch-russischen Verhältnis – bis zu seinem Lebensende.

Das Gedenken an beide Künstler hat eigene Dynamik. Während Wolf zum zehnten Todestag 1992 noch ganz im Schatten des bayerischen Kollegen stand, war der Ruf des 1925 im schwäbischen Hechingen geborenen Ostdeutschen mit dem 80. Geburtstag endlich auch im westlichen Teil der wiedervereinigten Republik angekommen. Sicher, in Berlin hießen schon vorher eine Straße (im Osten), ein renommierter Kulturpreis und eine Schule nach dem Regisseur, in Brandenburg trägt sogar seit 1985 die Filmhochschule seinen Namen, was immer wieder zu Auseinandersetzungen führt.

Das ist nicht wirklich überraschend, schließlich war Wolf nicht nur bekennender Kommunist, sondern hat sich bis zu seinem frühen Tod auch kulturpolitisch als Präsident der Akademie der Künste und Mitglied im ZK der SED engagiert. Dass er sich dabei bis an die Grenzen seiner Kräfte für praktische Veränderung eingesetzt hat, ist ebenso unstrittig wie seine grundsätzliches Ja zum SED-Regime. Gerade im Westen blockierte dieses Leben im Widerspruch lange Zeit die angemessene Rezeption.

Die 2005 erschienene erste große Biografie der beiden Filmhistoriker Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen bleibt oft bei der ideologiekritischen Aufrechnung stecken und verstellt so fast den Zugang zu Leben und Schaffen Wolfs. Inspirierender ist ein von Michael Wedel und Elke Schieber 2009 herausgegebenes Bändchen, das Wolf anlässlich eines Symposiums in Potsdam im internationalen Kontext verortet und zu erhellenden Beobachtungen gelangt. So werden Genre-Elemente des amerikanischen Westerns in dem zu Recht als autobiografisch rezipierten „Ich war neunzehn“ herausgearbeitet, in dem Wolf episodisch von seiner Rückkehr nach Deutschland als Propagandist der Roten Armee erzählt. Und „Solo Sunny“ tritt in motivische Korrespondenz mit Bob Fosses „Cabaret“.

Nun lassen sich – bei einer Retrospektive zum 30. Todestag, veranstaltet von der Friedrich-Wolf-Gesellschaft zusammen mit den Kinos Bundesplatz und Toni – noch einmal viele seiner Filme besichtigen. Komplett ist die Reihe leider nicht: Die ersten beiden Filme Wolfs, die der Regisseur selber später weniger schätzte, haben die Kuratoren in anbiederndem Gehorsam gleich weggelassen, seine Saint-Exupéry-Verfilmung „Der kleine Prinz“ kann wegen Rechte-Problemen der Buchvorlage nicht gezeigt werden.

Beeindruckend ist neben Wolfs thematischer Beharrlichkeit die formale Vielfalt seines Werks. Das geht von den UfaAnklängen beim Mitläufer-Melodram „Lissy“ (1957) über avancierte Erzählstruktur à la Resnais etwa in „Der geteilte Himmel“(1964) bis zu den großen Tableaus von „Goya“ (1971). Eine zentrale und vielleicht die verkannteste Arbeit Wolfs ist „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“: Dort bündelt der Regisseur 1974 die Erinnerung an die Judenverfolgung und des oft vergeblichen Ringens um künstlerische Präsenz in der sozialistischen Gesellschaft tragikomisch.

Begleitet werden die Vorstellungen der Retrospektive von illustren Gästen. Dazu gehören die Drehbuchautoren Angel Wagenstein und Wolfgang Kohlhaase und auch Eberhardt Geick, der bei „Solo Sunny“ erstmals für Wolfs langjährigen Kameramann Werner Bergmann einsprang. Ausgewählt hatte Wolf ihn damals – nach der Einforderung von mehr Gegenwart in seinen Filmen – wegen seiner jugendlichen Unbedarftheit in Spielfilmsachen. Das klappte: Der Film hatte, wie erhofft, frisches dokumentarisches Flair. Doch für Wolf war es schon fast das Ende. Es folgte nur noch – mit letzter Kraft realisiert – der Dokumentarfilm „Busch singt“.

12. bis 18. April sowie 27. April bis 2. Mai, Bundesplatz und Toni. Details unter www.progress-film.de

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