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Kultur: Flickwerk aus Prinzip

Mit dem Umzug nach Dessau war die expressionistische Phase des Bauhauses vorbei.Kunst und Technik wurden von nun ab "eine neue Einheit".

Mit dem Umzug nach Dessau war die expressionistische Phase des Bauhauses vorbei.Kunst und Technik wurden von nun ab "eine neue Einheit".Das Dessauer Gebäude aus dem Jahr 1926 und die nahegelegenen Meisterhäuser legen noch heute davon Zeugnis ab.In der von Gropius geplanten Bauhaus-Siedlung Törten im Süden der Stadt erlebt man am ehesten das Scheitern der Bauhaus-Idee, mittels eines architektonischen Gesamtkunstwerks das Leben zu ordnen.Die einst typisierten Häuser sind nach siebzig Jahren nicht mehr als Bauhausleistungen zu identifizieren.Die Menschen haben sie ihrem eignen Geschmack angepaßt - mit Sprossenfenstern, Plastiktüren und diversen Um- und Anbauten.

Das müßte Omar Akbar eigentlich gefallen.Seit Herbst letzten Jahres ist er Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau.Die Wahl kam überraschend.Der wissenschaftliche Beirat wollte eigentlich einen anderen Bewerber, aber der Professor für Städtebau an der Fachhochschule Anhalt überzeugte insbesondere die Politiker im Stiftungsrat.Akbar mußte mit seinem Schreibtisch nur wenige hundert Meter weiter ins Bauhausgebäude umziehen.Doch das Büro von Gropius im Bauhausgebäude hat er nicht belegt.Dieser Verzicht ist wohl kaum symbolisch zu verstehen.Akbar, heute 51, mit zwölf Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, denkt nicht in solchen Kategorien.Und für den Verlust des reinen Stils wie in Törten hat er nur ein Lächeln übrig.Akbar hat zwar Architektur studiert, aber bis auf ein Restaurant in Gambia nichts gebaut.Und selbst da wurde die Brüstung der Terrasse einfach wieder eingerissen, als sie sich nach Fertigstellung als zu hoch erwies.

Akbar lacht, als er davon erzählt.Mit vorgefaßten Ideen oder Meinungen komme man in der Praxis nicht weiter, sondern nur durch learning by doing - und in Zusammenarbeit mit den Betroffenen.Stolz ist er deshalb besonders auf die von ihm geleitete Sanierung eines Slumgebiets in Ägypten.Gebaut wurde zwar auch, aber keine Normtypen für das Leben von Morgen sondern Lösungen für die Probleme heute: Bastelei und Flickwerk aus Prinzip.

Das Entwicklungsprojekt zeigt ganz praktisch die ungeheure Distanz, die der neue Bauhaus-Direktor zum alten Bauhaus hat."Das Bauhaus hat Klarheit simuliert", meint Akbar.Mit ihm scheint die Abrechnung mit dem Mythos Bauhaus an dessen Ursprung zurückzukehren.Zum 80jährigen Bestehen des Bauhauses wird eine interdisziplinäre Konferenz die kritische Aufarbeitung des Baushaus-Erbes zum Thema haben.Titel der Veranstaltung vom 3.bis 5.Juni: "Modernität und Barbarei".Das Bauhaus soll hier die Janusköpfigkeit der Moderne belegen.Der Kongreß ist der Auftakt einer Reihe von Ausstellungen, Konferenzen und Veranstaltungen, die eine Bilanz des Bauhauses im 20.Jahrhundert ziehen und Perspektiven für das nächste Jahrhundert zu entwickeln suchen.

Akbar will, daß sich das Bauhaus in internationale Debatten einmischt.Das Bauhaus soll Anstöße geben und Internationalität nach Dessau holen.Das gelte für Forschung, Lehre und Gestaltung, wie sie in den drei Abteilungen der Stiftung mit Sammlung, Akademie und Werkstatt vertreten sind.Warum sollten Persönlichkeiten wie Zaha Hadid, Rebecca Horn oder Renzo Piano nicht eine andere Atmosphäre in die anhaltinische Provinz bringen können, wenn man sie für die eine oder andere Tagung nach Dessau lockt?

Keine leichte Aufgabe, das weiß auch Akbar.Der Mythos des Bauhauses ist erdrückend, aber er hilft auch.Also knüpft Akbar Kontakte, lädt zu Kongressen, schmiedet Pläne.Nach wie vor aber gilt die Wiederherstellung des 1926 eröffneten Bauhausgebäudes als Kernaufgabe der Stiftung.

Die Sammlung - das Museum zur Geschichte des Bauhauses - weist mittlerweile 22 000 Inventarnummern auf.Die verpaßte Chance einer Vereinigung mit dem Bauhaus-Archiv in Berlin will Akbar durch verstärkte Vernetzung wettmachen, auch mit der dritten Bauhausstätte in Weimar.Dessaus Schwerpunkt liege in der Forschung, beschreibt Akbar die ihm vorschwebende Aufgabenverteilung.Für die weitere Arbeit der "Werkstatt" stellt er sich Grundlagenforschung vor.Was machen wir mit den städtischen Brachen, wie kann man die Wunden der Städte darstellen? Dessau durch Krieg und postsozialistische Pleiten an seinem Stadtkörper stark beschädigt, soll nicht die einzige Referenz sein.Es gelte, tools zu entwickeln, mit denen man ansetzen könne wie bei der Akupunktur.Gerade dem Osten fehlten nämlich immer noch die Voraussetzungen des Handelns: Geldnot und Gedankenlosigkeit führten oft dazu, daß die strukturelle Entwicklung der Städte praktisch den Investoren überlassen werde.

Als eigentliches Herzstück seiner Arbeit als Direktor begreift Akbar aber den Aufbau eines neuen Bauhauskollegs.Es soll die bestehenden Strukturen der Stiftung ergänzen.Neben die Kontinuität setzt Akbar den Neuanfang.Auch hier arbeitet Akbar methodisch eher mit Anbau statt mit Abriß.Daß er kein Mitglied des überwiegend noch aus Ostzeiten stammendem Personals entlassen hat, rechnet er sich als Verdienst an.Am neuen Bauhauskolleg sollen Fachleute von außerhalb wie in einem Kloster ein Jahr an Themen brüten.Im September wird es mit 25 Kollegiaten mit losgehen.Thema: Jenseits der Zersiedelung.Die Ergebnisse sollen in drei Schritten öffentlich gemacht werden: als abstrakt-theoretische Bestandsaufnahme etwa in der Edition Bauhaus, mit Konzepten und Entwürfen als Ausstellung und durch Installation und Performances, die ins jährliche Bauhausfest einmünden.Flankiert werden diese neuen Aktivitäten durch eine Preisvergabe im Herbst - nicht zuletzt um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu wecken.Auch das Gropius-Seminar soll im Herbst wiederbelebt werden: Einmal im Jahr treffen sich dann Experten zum gemeinsamen Nachdenken.An Ideen fehlt es also nicht.

Damit das Bauhauskolleg nicht zum elitären Debattierclub verkommt, ist Akbars Talent als Vermittler gefragt - wie schon in Ägypten.Vielen Kollegen im Haus fehlen beispielsweise allein schon Englischkenntnisse.Wahrscheinlich müsse man Kompromisse machen, räumt Akbar ein.Er könne zunächst nur den Boden dafür bereiten, damit der Name Bauhaus eines Tages wieder mehr mit der Gegenwart als mit der Vergangenheit assoziiert werde.

Bauhaus Dessau: Konferenz "Modernität und Barbarei", Eröffnung mit Bazon Brock und Ismail Ivo (Tanz) heute, 18 Uhr.

RONALD BERG

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