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Kultur: Fliegende Diamanten

Tefaf in Turnschuhen: Maastrichts große Messe für Antiquitäten verjüngt sich.

Einhundert Millionen US-Dollar! So viel kostet das teuerste Objekt auf der Tefaf, The European Fine Art Fair in Maastricht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein Kunstwerk. Ein Vogel ist es, aus von der Natur gepresstem Kohlenstoff. 20,02 Karat wiegt der „Blue Ice“-Diamant, den der Londoner Schmuckhändler Graff in eine Brosche in Form eines Pfaus von insgesamt 120,81 Karat hat fassen lassen. Die Juweliere dürften auch deshalb in diesem Jahr wieder die größten Umsätze einfahren auf der Königin der Kunstmessen.

Doch zum Glück gibt es daneben erstklassige Kunst zu sehen. Sie wird sogar tendenziell wieder jünger, nachdem in den Vorjahren einige schwergewichtige Händler, vorwiegend aus New York, der Messe den Rücken gekehrt hatten. Überhaupt gibt sich die Tefaf moderner oder besser: Sie versucht es. Das gelingt allerdings nicht immer.

Der schlichte rote Katalog und die neugestaltete Website strahlen nicht mehr die opulente Pracht vergangener Zeiten aus, sondern reihen sich ein in die Myriaden mehr oder weniger beliebiger Marketinginstrumente. Auch das Entrée der Messehalle ist ein Kulturschock: Wände und Decken sind weiß statt gravitätisch dunkel. Der Blumenschmuck ist etwas bescheidener. Und über dem Infostand zieht eine gigantische hängende Stoffskulptur von Juana Vasconcelos (300 000 Euro) die Blicke auf sich. Das monströs-dekorative Objekt ist ein Überbleibsel der zu Christie’s gehörenden Galerie Haunch of Venison, die Ende 2012 mit dem Private Sales Department zusammengelegt wurde und folgerichtig nicht mehr an der Tefaf teilnimmt.

Die Kunst ist allerdings nach wie vor über fast alle Zweifel erhaben. Seien es Alte Meister, wie eine mythologische Szene von Jacob Jordaens mit „Odysseus und Nausicaa“ für 4,2 Millionen Britische Pfund (auf der Vernissage verkauft an einen Sammler) bei Johnny van Haeften, ein marktfrisches Porträt des Reformers Philipp Melanchthon bei Bernheimer-Colnaghi zu 1,65 Mio Euro oder eine altägyptische Holzskulptur von einem Meter Höhe aus der Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus mit Resten der originalen Farbfassung bei Gordian Weber aus Köln (480 000 Euro).

Auch bei Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts lassen sich durchaus Millionenbeträge ausgeben, etwa für Edvard Munchs Portrait von Ingar Barth, für die die Galerie Thomas aus München rund fünf Millionen Euro erwartet. Oder für eine jener Schrottskulpturen von John Chamberlain, für die bei der Mayor Gallery aus London 2,25 Millionen Euro aufgerufen werden. Spekulationsobjekte wie die Glitzerskulpturen von Jeff Koons bei Gagosian, der es nicht einmal nötig hat, das im Katalog abgebildete Werk mitzubringen, sind zum Glück eher selten.

Eine Oase der Modernität ist überraschenderweise die Papier-Sektion, in der Erstteilnehmer Galleri K (Oslo) Großformate der berühmteren Becher-Schule zeigt. Selbst bei dem recht konservativen Moderne-Händler Antoine Laurentin aus Paris ist die Übermalung „Face Farce“ von Arnulf Rainer von 1973 prominent platziert. Johannes Faber aus Wien hat eine fast unscheinbare kleine Neuentdeckung dabei: das einzige bekannte vollständige Portfolio „Spuk“ von Germaine Krull, entstanden 1928 in Berlin, zum Preis von 65 000 Euro.

Die Abteilung Show Case mit ihren Ministänden hat sich als Erfolgsmodell erwiesen. Der New Yorker Spezialist für Jugendstil-Keramik Jason Jacques hat sich mit seinen Zsolnay-Vasen inzwischen in der Design-Abteilung etabliert. Beim Nachwuchs ist mit Patrick Heide aus London eine zeitgenössische Galerie dabei, die mit abstrakten Kleinformaten in Öl auf Papier für 900 Euro echte Schnäppchen anbietet. Die Tefaf will eindeutig mit der Zeit gehen. Das ist ehrenwert, auch wenn sie an manchen Stellen ein wenig über das Ziel hinausschießt. Einen Besuch lohnt sie allemal. Stefan Kobel

Tefaf, bis 24.3., www.tefaf.com

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